gekrümmte Kurven Der Canon Gubernauticus des John Dee "lebt" gewissermaßen davon, daß spätestens seit Pedro Nunes und der so großartigen Darstellung der "paradoxen Kompaßkurven" durch Gerhard Mercator diese Kurven als spiralig-gekrümmt ausgemacht worden sind. Dabei waren mindestens Nunes und Dee - dem schon in jungen Jahren "unendlich" Belesenen - bekannt, daß sich die "Alten" längst mit spiralig-krummen Linien, die wir heute "spirig" nennen, beschäftigt hatten: So hatte sich um 130 vChr schon Perseus mit den ebenen Schnitten eines Torus ( griech. spetra, Kreiswulst) beschäftigt und drei ihrer Hauptformen "Spiralen" genannt. Ebenso beschäftigten sich Archytas von Tarent und Eudoxus von Knidos mit dem Torus, der bekanntlich entsteht, wenn man einen Kreis sich um eine Gerade seiner Ebene gleichförmig herum"winden" läßt. Einige der "krummen Linien" des Altertum sind verloren gegangen, so z.B. der "Kochlias", die Hausschnecke des Apollonius, deren Projektion auf die Ebene einer logarithmischen Spirale sehr ähnlich sieht. Und Demetrius von Alexandrien, Philo von Tyana und auch Menelaus haben über "paradoxe Linien" geschrieben, die vermutlich der logarithmischen Spirale ähnlich gewesen sind. (Vgl. Moritz Cantor: Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik2, 1894-1901, 3 Bde, hier I 296, 350.) Hat John Dee von diesen "paradoxen" zweifach-krummen Kurven gewußt?
Ein Leichtes wäre es dann gewesen, von der doppelt-gekrümmten
Linie des Kompaßkurses als einem "paradoxem Kompaß(kurs)"
zu sprechen.
schreibt The Haven-Finding Art: A History of Navigation from Odysseus to Captain Cook London 1956, 197: "John Dee, unfortunately, preferred to keep his specialized knowledge out of print, and it is impossible to tell quite what his new instrument was which he called the Paradoxall Compass, and taught the use of to the Boroughs. It was not, of course, a mariners' compass, but appears to have included a polar zenithal chart for setting course and avoiding the errors of the plain chart." Charlotte Fell: John Dee, London 1909. Ch.Fell schreibt S.31: "He [Dee] had spent most of the previous year (1576) in writing a series of volumes to be entitled 'General and Rare Memorials pertayning to the perfect art of Navigation.' The first volume, The British Monarchy, or Hexameron Brytannicum, was finished in August. It was dedicated to Christopher Hatton ... [Sir Christopher Hatton hatte er zum Sponsor des zweiten Buches erkoren - daher wohl die Widmung - : aber die Druckkosten waren einfach zu hoch.] The second volume, The British Complement, 'larger in bulk than the English Bible', was written in the next four months and finished in December. It was never published; its author tells us it would cost many hundreds of pounds to print, because of the tables and figures requisite, and he must first have a 'comfortable and sufficient opportunity or supply thereto.' The necessary funds were never forthcoming, and the book remained in manuscript. A considerable part of it is devoted to an exposition of the 'paradoxall' compass which its author had invented in 1557." S.120 : "A couple of globes of Gerard Mercator’s best make were among the most valuable contents of the library, especially as upon the celestial globe Dee had marked his own observations of comets, their place and path in the heavens. There were other objects which Mercator had constructed specially for Dee, vis., three theorics [?annuli astronomici], two with horizon and meridian lines in copper. A number of compasses of many kinds were among the objects, for Dee had invented, as we have seen, what he calls a 'Paradoxall Cumpass.' There was also a great piece of load-stone, or 'magnes-stone', of extraordinary virtue. It had been sold for five shillings, but 'being divided up and parted with piece-meal it made more than 20 pounds'.” 1999 fand ich in der "Calder Thesis" - veröffentlicht von der John-Dee-Gesellschaft - im WWW.johndee.org/calder/html/Calder7.html, Kapitel VII.V, den folgenden Text, der das seinerzeitige Nicht-Wissen über den Paradoxen Kompaß in Abhängigkeit von Frau Taylor beschreibt (alle Hervorhebungen von mir): "Dee was particularly concerned with promoting the development of navigation and discovery; he refers frequently to two inventions he has made, which he considered important contributions to progress in this field — his "Paradoxall Compass" and Compass of Variation. be plotted Erstaunlich ist, daß Frau Taylor - und mit ihr ihre "englische" Schule - die sprachlichen Feinheiten John Dee's nicht zur Kenntnis genommen hat: Bei der ersten Erwähnung des "Paradoxen Kompaß" schreibt Dee von ihm in der Mehrzahl, was gewiß nicht ohne weiteres auf mehrere Instrumente der gleichen Art schließen läßt. Siehe den originalen Text später. to solve the problem Meine Überlegungen führen - im folgenden - zu einem anderen Ergebnis:
describe Damit wird jetzt wohl hinreichend klar, daß es sich beim "Paradoxen Kompaß" nicht um ein Instrument, sondern vielmehr um eine einzelne bzw. um das System aller Strich-Rhumbe(n)-Tafel handelt. Paradoxie Im Jahre 1595 wurde das Segeln mit Hilfe der Richtungstafeln des John Dee erstmalig von John Davis in seinen Seamen's Secrets dargestellt. Vgl. E.G.R.Taylor: Bourne S.416. Noch kann ich mir nicht vorstellen, wie Davis dies ohne die Tafeln Dee's geleistet haben kann. (Die Seamens's Secrets habe ich noch nicht einsehen können. Das Davis-Zitat weiter oben zeigt eigentlich nur an, daß Davis eine Ahnung vom Dee'schen Euklid-Vorwort gehabt haben muß.) Verbesserung Vergleichen wir allein die Genauigkeit der Beziehungen zwischen den Breiten- und den zugehörigen Längendifferenzen, so ist der Fortschritt z.B. von Enciso und sogar von Nunes zu Dee immens:
Berater Das Vor-Wort John Dee's zum Brief Gerhard Mercators vom 20. April 1577 - vergl. E.G.R.Taylor, IMAGO MUNDI XIII, 56ff - zeigt in aller Deutlichkeit, daß John Dee höchst interessiert nach den nördlichen Passagen Ausschau hielt: "And this matter of Discovery in hand, and chiefly of these most Northerly Countries and Iles, hath caused me (since last yere) to send into divers places beyond the sea, and to men there in our age rightfully [esteemed, to wit to the] honest Philosopher and Mathematician, Gerardus Mercator, ... In as much as, speedily he returned the very principal Authority whereupon he fasshioned unto us that strange plat [d.i. die Karte des Nordens im südwestlichen Teil der Weltkarte 1569] of the Septentrionall Ilands. That thereby our men (Adventures and Discoverers) might understand, what account is to be made, or what Credit is to be given to the same Description."
wahren Seekarten Vgl. z.B. oben: Charts Hydrographicall, true, (not with parallel Meridians). - darin war und blieb er ein treuer Schüler des Claudius Ptolemäus, dem schon der Zylinderentwurf des Marinus von Tyros nichtswürdig erschien: Beiden fehlten auf quadratischen Plattkarten die Repräsentation der gekrümmten Kugeloberfläche. Andeutungen Pedro Nunes, Mathematiker in Coimbra und Kosmograph des portugiesischen Königs, hat die portugiesischen Hydrographen und die westwärts fahrenden Kapitäne mehrfach darauf hingewiesen, daß die Kursgleichen des kompaßorientierten Segelns auf hoher See, die alle Meridiane unter konstanten Winkeln schneiden, sowohl auf dem Globus als auch in der quadratischen Plattkarte gekrümmte Linien seien, also keineswegs mit den geradlinigen Rhumbenlinien der Kompaßrosen der Seekarten übereinstimmen. Schon 1533, als er sich zum ersten Mal in einem "kleinen" Tratado über die ihm von Martim afonso de Sousa vorgetragenen Bedenken über gewisse Praktiken in der Kunst des Segels geäußert hatte (pequeno tratado: sobre certas duuidas: que trouxe Martim afonso de Sousa .... nam somente cousas praticas da arte de nauegar), haben weder die Globenmacher noch die Hydrographen noch die Piloten ihn in seiner Kritik verstanden: ihre Skrupel, aber auch ihre Verwechslung der "vulgären Regeln" der Segelkunst mit den Begriffen und Anweisungen der Wissenschaft (escrupoloso em misturar com regras vulgares desta arte / termos & pontos de sciencia) konnte er nicht beheben, owohl er ihnen schon damals in aller Deutlichkeit den Unterschied zwischen dem einfachen - "falschen" - Segeln auf einem Windstrich und dem kompaßgerechten - "wahren" - Segeln verdeutlicht hatte: |
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Die Linie .d.c.e. ist die "gewöhnliche" Rhumbe NW. Aber das Segeln nach diesem Windstrich folgt im Wahrheit nicht dieser geraden Linie, sondern der Kurve .a.c.b., die in Wirklichkeit weder einem Kreis noch einer geraden Linie gleicht. Und das ist seiner Vorstellung nach die Auffassung, aus der der Fehler der Piloten (nauegantes) entspringt. Sie folgen einer falschen Information (falsa enformação), sollten aber eigentlich der Wahrheit folgen. |
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In seiner nautische Schrift "Tratado fez em defensam da carta da marear", der portugiesischen Übersetzung der Sacrobosco-Sphäre "Tratado da sphera" 1537 beigebunden, kommt Nunes auf seinen "kleinen Tratado" von 1533 zurück und verteidigt vehement die Benutzung der "gemeinen" Plattkarte, deren nautische Mängel William Bourne noch 1574 rügt und vor deren "naiver" Anwendung er warnt, außer "if the platte be truely made". Aber "truely made" war keine von ihnen. Auch der Hinweis des Nunes, anstelle einer Generalkarte einzelne Zonenkarten mit korrekter Zuordnung des Äquators zu deren Mittelbreiten (vera similitudo vel ratio) zu verwenden, fand kein Echo. Und nahezu zornig tadelt er die Globenmacher Lissabons dafür, daß sie mehr Sinn für Ornamentik als für Genauigkeit hätten. Sollte Gerhard Mercator die Schrift des Pedro Nunes bis 1539 kennengelernt haben - in diesem Jahr begann er spätestens mit der Konstruktion seiner Erdkugel von 1541 - , so scheint er der einzige gewesen zu sein, der Nunes verstanden hat. Daß die Schrift des Nunes Löwen in zwei Jahren erreicht haben kann, ist bei dem regen Seehandel der Spanier und Portugiesen mit | über Antwerpen durchaus möglich. Dennoch würde dieser Sachverhalt nicht im geringsten die Großartigkeit des Loxodromenentwurfs von 1541 und erst die Konstruktion der Weltkarte von 1569 schmälern: Niemand sonst - bis eben auf John Dee in den Jahren 1557-1558 - hat in den Jahren von 1533 bis 1569 die Aufgabe des Nunes so gut verstanden und zweimal treffend - öffentlich - umgesetzt, - letzteres hat selbst Nunes nicht geleistet.Daß John Dee nach seinen Besuchen in Löwen mit Pedro Nunes in Verbindung getreten ist, macht zumindest der Widmungsbrief der Propaedeutmata Aphoristica vom 20 Juli 1558 plausibel: Da er fürchtete, unter der Verfolgung und Anklage durch seine religiösen Widersacher in London womöglich sein Leben zu verlieren, hat er neulich Pedro Nunes inbrünstig gebeten, illumque obnixe nuper oravi - jenen Mann, der die Künste der Mathematik auf das Höchste beherrscht - , seine noch unvollendeten Werke, die Nunes nach seinem Tode überbracht werden sollen, mit der gehörigen Sorgfalt herauszugeben. Dee ist von der Loyalität Nunes' überzeugt: cum & me tam amet fideliter, denn dieser liebe ihn auf treuherzige Art und Weise. Es könnte durchaus sein, daß die beide Bücher De nova Navigantionum ratione, Lib.2, die gesamte Materie des hier in Rede stehenden "Segelns mit Hilfe des Paradoxen Kompaß" enthalten haben. Und es könnte durchaus sein, daß Dee aus einem Schriftwechsel mit Nunes die bei Gerhard Mercator (1547ff.) noch ausstehenden Hinweise über den approximierenden Zusammenhang von Großkreis- und Kursgleichen-Segelns erhalten hat. Frage Es scheint auf den ersten Blick ein wenig überraschend zu sein, daß John Dee den Zusammenhang zwischen der Breitenänderung Dj und der zugehörigen Längenänderung Dl herstellt und nicht die Umkehrbabbildung ![]() ![]() ![]() Die Strichtafeln beschreiben bekanntlich die Abbildung
Verständlich wird die Zuordnung Gleichung Vgl. z.B. Duisburger Forschungen Bd. 41, S.62: Die Loxodromengleichung. ![]() ![]() ![]() ![]() zu bestimmen trachtete Hätte John Dee nicht die Zuordnung Breitendifferenz ![]() ![]() ![]() Dieses Argument zeigt erneut, daß John Dee sich einer speziellen,
keiner generellen Lösung der loxodromischen Aufgabe des Jahrhunderts
gestellt hat.
Entwicklung Henri Bond hatte schon 1645 in einem Zusatz zu Richard Norwoods Epitome of Navigation angegeben, that the Meridian Line was Analogous to a Scale of Logarithmick Tangents of half the Complemente of the Latitudes, wie Edmund Halley in seiner Easy Demonstration of the Analogy of the Logarthmick Tangents to the Meridian Line or sum of secants, Philosophical Transactions 19, Nr.219, Jan./Feb.1696, 202, anmerkt. Zur Geschichte vgl. man Jos.E.Hofmann:Nicolaus Mercator (Kauffman), Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Math.-Naturwiss. Klasse 1950, Nr.3. Korrekturen ![]() Methode der Mittelbreiten Diese wendet später (1599, 1610) auch Edward Wright an, William Oughtred schlägt 1632 (London), 1660 (Oxford) in seinem Circle of Proportion and the horizontal Instrument noch feinere Unterteilungen vor. Formel Wie eine solche mit Hilfe differentialgeometrischer Überlegungen abzuleiten ist, habe ich in den DUF 41 S.62ff. gezeigt. Vergleiche die Anmerkung GLEICHUNG. sec-Tafel Die erste sec-Tafel des Jahrhunderts hatte Copernicus um 1530 aufgestellt; bekannt wurde sie erst in der Mitte des 19.Jhs. Die Funktion secans dagegen benutztEdward Wright in seinen Certaine Errors von 1599. Er setzt also einen Leser voraus, der auf der Höhe der Zeit ist und die Trigometrie beherrscht: ![]() |