Im Vorwort des "Englischen Euklid" von 1570 schreibt John Dee, daß er die Brüder Borough das Segeln mithilfe des "Paradoxall Compass" - invented by me in 1557 - gelehrt habe. 
In der folgenden Abhandlung PARADOXALL COMPAS versuche ich, den Canon Gubernauticus, die  Funktionstafel der sieben Rhumbenwege des John Dee, zu rekonstruieren. 
 
Eine erweiterte "Gutenberg"-Ausgabe des PARADOXALL COMPAS ist im August 2009 als fünfte Abhandlung in dem Buch Ad maiorem Gerardi Mercatoris gloriam Bd 1 Abhandlungen zum Leben und Werk Gerhard Mercators = ISBN 978-3-86582-895-8, Monsenstein & Vannerdat, Münster, erschienen.
In dieser Abhandlung wird gezeigt, dass John Dee 1557/1558 und sein kontinentaler Freund, Gerhard Mercator, 1569 in gleichartigen Gedankengängen die Lösung des Kompass-orientierten Segelns auf hoher See vorgelegt haben: Dee analytisch-rechnend, Mercator geometrisch-konstruierend. 
Der Autor hat im Jahre 2000 zum ersten Mal auf diese Tatsache aufmerksam gemacht.

 
Sie können sich die Tafeln auch sofort anschauen:   1 2 3 4 5 6 7

John Dee - Canon Gubernauticus
An Arithmeticall Resolution of the Paradoxall Compas (1557)

Ashmolean Manuskript 242 fols. 139r-154v (Bodleiana, University Oxford)
 
Zusammenfassung
 
Motto
Johannes Buridan: Quaestiones super De caelo II, 20

Tunc diceremus quod convenientius est salvare apparentias per pauca quam per multa, si hoc aeque bene fieri.
Also möchten wir sagen, daß es angemessener ist, die Erscheinungen [eher] durch wenige als durch viele Argumente zu retten - sofern sich das ebenso gut bewerkstelligen läßt.

Spätestens seit Pedro Nunes (1537) oder Gerhard Mercator (1541) wußte das Zeitalter, daß die Rhumben, die der Kompaß anzeigt, 
paradoxerweise keine Geraden, sondern zweifach gekrümmte Kurven  sind - Snellius nannte sie später "Schiefläufige", "Loxodrome".
Noch 1956 war E.G.R.Taylor der Meinung, der "Paradoxe Kompaß", den John Dee 1557 "erfunden" hatte und den er zum ersten Mal in seinem Vorwort zum "Englischen Euklid" von Billingsley 1570 erwähnt, müßte ein Instrument sein,  in das Dee eine nordpolständige Projektion der Erde eingelegt habe. Als E.G.R.Taylor 1963 den "Canon gubernauticus" des John Dee - der sich als Manuskript in der Bodleiana befindet - herausgab, enthielt sie sich jeden - auch mathematischen - Kommentars, verwunderte sich aber über den immensen Durchmesser der nordpolständigen Karte von „50 ynches diameter“.
Nun ist der "Paradoxe Kompaß" aber nichts anderes als ein System von Tafeln, das für die "klassischen" Rhumben von

= 11.25° bis = 78.75° von 0° bis 80° Breite Grad für Grad die Funktionen 

in der Gestalt  der Tripel 

tabelliert und somit nichts anderes als eine "klassische" Strichtafel darstellt. 
Die Tafelwerte sind von Dee i.a. mit einer solch bewundernswerten Genauigkeit berechnet worden, daß sich sofort die Frage nach den mathematischen Grundlagen der Rechnungen stellt: 

  • Es läßt sich zeigen, daß John Dee mit den gleichen elementaren mathematischen Hilfsmitteln gerechnet hat, mit denen Gerhard Mercator zwölf Jahre später seine Weltkarte AD USUM NAVIGANTIUM konstruiert hat.
Wäre John Dee an der Konstruktion einer neuen Kartenform interessiert gewesen, statt ausschließlich das kompaßgerechte Segeln lehren zu wollen, er hätte die 1569er-Konstruktion seines kontinentalen Freundes Mercator vorwegnehmen können ... ; 
hätte Dee L nur ein wenig anders tabelliert, die Geschichte der Meridionalteile müßte neu geschrieben werden ... 
Zusammenfassung
- Ende -

Interpretation und Rekonstruktion des "Paradoxall compasse"


Einführung


Das Manuskript liegt mir seit dem 2. Juni 1999 in seiner Gesamtheit als Photoprint der Bodleiana / Oxford vor

Die Tafeln wurden zuerst - und ohne jeden mathematischen Kommentar - abgedruckt in 

E.G.R.Taylor: A Regiment for the Sea by William Bourne of Gravesend, a gunner (1535-1582)
Cambridge 1963 - Published for the Hakluyt Society - Appendix A [S.419ff]
Noch 1956 schreibt E.G.R.Taylor, daß "John Dee unfortunately preferred to keep his special knowledge out of print and it is impossible to tell quite what his new instrument [!] was what he called the Paradoxall Compass... It appears to have included a polar zenithal chart for setting course and avoiding the errors of the plain chart."

In ihrer Einleitung zum Tafelwerk Dee's schreibt Frau Taylor 1963: "... and the reference to a diameter of 50 inches suggests the dimensions of the polar projection upon which he considered the rhumbs could best be plotted, failing a globe. This would, however, make a very unwieldy chart." - woraus resultiert, daß Frau Taylor den "paradoxen Kompaß" nicht als das System der Tafeln des Canon Gubernauticus erkannt hat.


In eben diesem Vorwort zum Paradoxall Compass ist Frau Taylor - zusammenfassend - der Auffassung, "the table represents Dr Dee's attempt to solve the problem of the plain chart which ignores the convergence of the merdians".(S.416)

Dennoch: Die von John Dee ?avisierte Karte hätte schließlich nur die Größenordnung der Weltkarte von 1569 gehabt, deren nordpolständige abstandstreue Karte des Hohen Nordens - In septentrionis descriptionem - Dee später in seinem Besitz hatte. Im Cotton Manuskript Vitellius C.VII, folio 264 v., - 8. Juni 1577 - , heißt es "he [Gerhard Mercator] fasshioned unto us that strange plat of the Septentrionall Islands" - "of my earnest request to him".
Um 1582 zeichnete Humphrey Gylbert offenbar nach Notizen von John Dee eine der Karte In Septentrionis descriptionem nachempfundene azimutale abstandstreue Polarkarte, die bis  = 20°N reichte und ein mögliches Gelingen einer NW-Passage vorspiegelte.
Ob Dee 1556/7 eine derartige - 50 ynches Æ große - Karte im Auge gehabt hat?
Der Zweck


1. In seinem - zurecht - berühmten Vorwort zum "englischen Euklid" - d.i. der ersten Übersetzung der 13 Bücher des Euklid ins Englische durch Sir Henry Billingsley - erzählt John Dee 1570, wie er als "adviser of the Muscovy Company" die "chief pilots" Stephen und William Borough über die Anwendung seines Paradoxall Compasse / seiner Paradoxall Compasses- "by me invented anno 1557" - d.i. anhand des Canon Gubernauticus, den er womöglich im Jahre 1558 berechnet hat, über - heutigentags formuliert: - das "loxodromische Segeln" unterrichtet hat.

Als ich zum ersten Mal im "englischen Euklid" die betreffende Stelle las, wurde mir aus dem Text ebensowenig wie Frau Taylor oder Frau Fell - in ihrem Buche über John Dee, 1909, klar, worum es sich eigentlich beim "paradoxall compasse" / bei den "paradoxall compasses" handelt:

  • Euclid A.j.(v) spricht Dee davon, was ein Master Pilote neben seinen fundierten Kenntnissen in Hydrographie, Astronomie, Astrologie (!), Horometrie, Arithmetik und Geometrie alles an Gerätschaften und Tabellen noch zu beherrschen und mitzuführen habe - if nede be sogar selber müsse anfertigen können : 
    • einen Quadranten, 
    • einen Astronomischen Ring, 
    • einen Astronomischen Kreuzstab, 
    • ein Universelles Astrolab.
    Mit sich habe er zu führen: 
    • An Hydrographicall Globe, 
    • Charts Hydrographicall, true, (not with parallel Meridians). 
    • The Common Sea Compass : 
    • The Compas of variacion : 
    • The Proportionall, and 
    • Paradoxall Compasses (of me Inuented, for our two Moscouy Master Pilotes, at the request of the Company). 
      Dee schreibt zuerst einmal von Paradoxall Compasses - in der Mehrzahl. Sollte ein Master Pilot mehrere Instrumente dieser Art mit sich führen? Zweifel waren angesagt, erst recht aber beim vorletzten Punkt.
      .
    • Clockes with spryng: houre, halfe houre, and three houre
    • Sandglasses :
    • &sundry other Instrumentes :
    • And also, be hable. on Globe, or Playne to describe the Paradoxall Compasse: and duely to vse the same, to all maner of purposes, whereto it was inuented. 

    • .
      Sollte der paradoxe Kompaß (Einzahl) mit Hilfe eines Erdglobus' oder einer Plattkarte beschrieben | dargestellt werden können / müssen? 
      Guter Rat war teuer bis 1998.
      .
    • And also, be hable to Calculate the Planetes places for all tymes ....
    .
    Als ich das Regiment for the Sea von William Bourne- in der Ausgabe von E.G.R. Taylor, 1963, - dann 1998 las, fand ich als Appendix A den Canon Gubernauticus, das organum directorium - mit Gerhard Mercator zu sprechen, nur "anders" - : die Richtungstafel(n) des John Dee. 

    Nun wurde mir schlagartig klar, was es mit dem "Paradoxicall Compasse" von 1557 auf sich hat: 

    Die "Richtungstafel" des John Dee enthält für jeden "klassischen Rhumb" (n · 11.25°, n = 1..7) die "klassischen" Strichtafeln in der Gestalt von Koordinatentripeln als Punkten einer directio = Loxodrome, die vom Äquator in Rhumbenrichtung voranschreitet.
  • John Dee hat damit - soweit mir jetzt bekannt ist - zum ersten Mal die Tafeln berechnet, mit Hilfe deren man in der Lage ist, die Mercatorschen Loxodromen des Erdglobus von 1541 "in globo | in plano delineare" , d.h. sowohl auf den Globus als auch auf die Plattkarte aufzubringen: on Globe, or Playne to describe the Paradoxall Compasse) -  mit Nunes (1566) zu sprechen: 

  • .
    Es wäre - bei Bekanntwerden der Dee'schen Tafeln - nunmehr jedermann möglich gewesen, die Loxodromen des Globus 1541 auf jeden beliebigen, mit hinreichend vielen Längen- und Breitenkreisen versehenen Globus aufzubringen oder - erst recht - in jede beliebige (See-)Karte - mit parallelen Längen und Breiten oder nicht: true or false - einzutragen.
     
  • An der Richtungstafel - der Gesamtheit aller sieben - läßt sich aber auch sogleich das völlig von Gerhard Mercators Vorstellungen (-1569ff) verschiedene Interesse John Dee's (1557ff) feststellen: 
    • Dee will lehren, wie man von  korrekt unter dem Rhumb k segelnd nach  kommt, d.h. die Paradoxie der gekrümmten kompaßorientierten Kurse in allen vorhandenen Seekarten - ob nach Marinus oder nach Ptolemäus - erklärlich zu machen, aufzuheben und somit "Störungen" bei den Piloten zu beseitigen. Er steht damit voll in der Tradition der "Strichtafeln", wie sie z.B. aus dem Regimento, von Enciso oder Nunes überliefert sind, mit dem einen Unterschied allerdings, daß die Strichtafeln die gesegelten Rhumbenstrecken auf die jeweiligen Längendifferenzen abbilden.
    • Mercator dagegen will eine neue Plattkarte liefern, in der jede Richtung von  korrekt als gerader Weg eingetragen werden kann, so daß von vornherein bei den pilotierenden Seeleuten gar keine "Störungen" auftreten (können). Daß seine Karte ad usum navigantium es darüber hinaus möglich macht, die nautischen Aufgaben der Piloten mit | in seiner neuen Karte aufzulösen, zeigt das erstaunlicherweise -?scheinbar - ?viel weiter gehende generelle Verständnis für die Probleme der Hochseeschiffahrt bei ihm, obgleich sein Freund Dee - inzwischen zum adviser der Muscovy Company avanciert - auch dafür hätte Lösungen anbieten können | sollen | ?müssen. 
    Dee  ./. Mercator

    2. Das Neben- und Miteinander der so unterschiedlichen Ansätze bei John Dee und Gerhard Mercator führt mich zu folgenden Überlegungen:
     

    Einerseits: 
    • Wir können o.B.d.A. davon ausgehen, daß Gerhard Mercator die Rechnungen John Dee's nie zu Gesicht bekommen hat.
      • Nichts im überlieferten Textmaterial Gerhard Mercators deutet eine Bekanntschaft mit den "gubernautischen Tafeln" an. 
      Wie hätte er auch anders als (a) an seinem Globus 1541 oder (b) erst nach seinem 69er-Entwurf die Richtigkeit der Tafeln John Dee's überprüfen können? Die bei ihm fehlende Genauigkeit, d.h. die konstruktiv-bedingten Ungenauigkeiten in beiden Fällen hätten ihm wohl großen Kummer gemacht.
      Zudem: 
    • Er wollte keine Segelanweisungen tabellieren, er wollte - bestenfalls - eine für die Anwendung derartiger Tafeln taugliche Seekarte gemäß der von ihm erstrebten vera similitudo et ratio herstellen. 
    • John Dee's Canon in Verbindung mit einer fehlerhaften Plattkarte oder einer nicht winkeltreuen 1. oder 2.Ptolemäus-Karte wäre der Problemstellung und -lösung des Freundes auf  keine Weise förderlich gewesen: 
    • Das Problem des kontinentalen Freundes und seine Lösung des Problems sollten generell das Problem des "paradoxen Kompaß" lösen. 
    • Die "kontinentale" Lösung sollte nicht speziell auf die Belange der Steuerleute zugeschnitten sein. 
      • Ohne Zweifel: our Queene Elizabeth her Arithmeticall Tables Gubernatick waren ausreichend für die Zwecke des kompaß-orientierten Segelns zugerichtet / berechnet, - und zwar - wie sich herausstellen wird - in so hervorragender Weise, daß die Möglichkeiten der Steuerleute in der Genauigkeit - bis auf einige "Ausreißer" - gewiß überschritten und sie selbst weit überfordert waren - insoweit die Tafeln für Kurse auf "klassischen" Rhumben ausgelegt sind.
      • Daß Dee's canon eine wesentliche Verbesserung der gängigen Strichtafeln z.B. nach Enciso - dem Regimento folgend - und Nunes im Sinn hatte, geht schon aus dem Fortschreiten und der  - relativen - Vollständigkeit der Argumente von Grad zu Grad in jedem Strich hervor.
    Andererseits:
    • Warum sollte John Dee auch seine Tabellen 1557ff. seinem Freund bekanntgemacht haben? Nirgends in den auf uns gekommenen Texten deutet sich an, daß - umgekehrt - Gerhard Mercator seine Absicht, eine neue Seekarte zu entwerfen, seinem englischen Freund frühzeitig mitgeteilt hätte: 
      • Einerseits 

      • waren beide wohl zu sehr daran interessiert, mit ihren diesbezüglichen Künsten und Fertigkeiten nicht ohne kaiserliche / königliche Patente an die Öffentlichkeit zu treten. 
      • Andererseits 

      • divergierten die Interessenslagen beider doch zu sehr: 
      Der eine mußte seinem Broterwerb als Inhaber einer Kartographischen Anstalt und als Familienvater nachgehen und bedurfte unbedingt des kaiserlich-königlichen Schutzes seiner Rechte - hatte also Stillschweigen mindestens so lange zu bewahren, bis das Produkt seiner Genialität vorgestellt werden konnte. 
      Der andere ging mit nicht minderen genialischen Fertigkeiten und Einsichten als sein kontinentaler Freund als Angestellter und Berater einer großen und bedeutenden See- und (vor allem) Handelskompagnie einer Lehr- und Berateraufgabe nach, wollte den großen Wurf aber erst später wagen. Sicher hat zu seinem Stillschweigen auch beigetragen, daß er sich mehr und mehr der Frage nach einer Nordwest- | Nordost-Passage widmete: Die Ausführung seiner Richtungstafel (a) bis zu einer Breite von 80° und (b) mit einer Zuordnung  läßt vermuten, daß er nicht nur - anfangs - das korrekte Segeln nach dem "paradoxen Kompaß" allgemein zu fördern trachtete, sondern daß ihm - später - wesentlich mehr daran lag, die Sicherheit des Rhumben-Segelns im Hohen Norden mit seinen Tafeln zu unterstützen und zu verbessern. Als Berater der Muscovy Company hatte er seiner Firma den Vorsprung vor anderen - kontinentalen - Handelskompagnien vor allem durch sein Stillschweigen zu sichern.
      In dem schon oben angeführten Cotton MS notiert John Dee Gerhard Mercators Brief vom 20. April 1577, von dem es folio 264 v. heißt : "That thereby [gemeint ist Mercators 'strange plat'] our men (Adventurers and Discoverers) might understand, what account is to be made, or what Credit is to be given to the same Description."

    Das Ashmolean Manuscript fols. 139r-154v wollte John Dee dem zweiten Buche seiner General and Rare Memorials of the Perfect Arte of Navigation - seiner Kommentare und Ergänzungen zu Martin Cortes' La Arte de Navigar (1551) - einverleiben; - geschrieben wurden es vermutlich im Jahre 1576

    Der umfängliche Titel dieses Buches sollte lauten: "A great volume, in which are contained our Queene Elizabeth her Arithmeticall Tables Gubernatick: for Navigation by the Paradoxall Compass (by me invented anno 1557) and Navigation by Great circles; and for longitudes and latitudes, and the variation of the Compass, finding most easily and speedily : yea (if need be) in one minute of time, and sometime, without sight of Sun, Moone or Star: with many other new and nedeful inventions Gubernatick.
    Da Dee selbst andeutete, daß dieses Buch "will be of more hundred pounds Charges to be prepared for the print", fand er auch in Sir Christopher Hatton nicht den erwarteten Sponsor:
    • Die Texte wurden nie veröffentlicht.
    Segelanweisungen ./. Karte

    3. Es ist durchaus verständlich: Anders als sein Freund Gerhard Mercator war John Dee als Berater der Muscovy Company  nicht an der Herstellung einer "korrekten" Karte ad usum navigantium interessiert, sondern vielmehr an "richtigen" Anweisungen zum "korrekten Kompaßsegeln" - mit Hilfe welcher Karten auch immer. 

    Daß die "alte" Plattkarte nicht zum korrekten Kompaßsegeln tauglich war, das hatten John Dee und Gerhard Mercator offenbar schon längst bei den Besuchen Dee's im Löwen der Jahre 1547/1548ff. diskutiert, - schließlich nahm John Dee nach seinem ersten Besuch 1547 zwei Erdgloben Gerhard Mercators von 1541 mit zurück nach Cambridge - zum Nutzen und Frommen der Gelehrten wie der Studenten der Geographie dort: "left to the use of the Fellows and Scholars of Trinity College". 

    Die directiones des Erdglobus

    - über ihre "Erfindung" und ihre erstmalige "delineatio" auf dem Globus wird man in Löwen fleißig gesprochen haben -
    müssen John Dee seither aber stete Veranlassung gewesen sein, über das korrekte Segeln nach dem Kompaß und damit über die delineatio des "verrückten Kompaß" in der Seekarte  nachzudenken. 

    Die - spätere - "neue Abbildungsart" seines Löwener Freundes aus dem Jahre 1569 - das muß ?leider festgestellt werden - hat John Dee weder begriffen

    • die Methode Mercators ist ihm wie allen Zeitgenossen für ein Vierteljahrhundert unbegriffen geblieben
    noch akzeptiert: 1570 hielt er Karten mit korrekt gekrümmten Längenkreisen immer noch für die "wahren Seekarten".

    Er wollte ganz einfach keine "andere" Seekarte - ad usum navigantium emendate et accommodata - berechnen, sondern die Navigatoren der Muscovy Company lehren, wie man das dead = deduced reckoning - das Koppeln der Bestecke - , mit dem Kompaß segelnd, korrekt ausführt. Sein Ansatz ist daher grundsätzlich verschieden von dem Gerhard Mercators, - wie wir dann auch in der Rekonstruktion seiner Tafel methodisch erfahren werden, wenngleich ?seine Methode auch für eine Überraschung gut ist.
     
     

    globum rumbis delineare

    4. Da er inzwischen - d.h. nach 1550 - mit Pedro Nunes in Kontakt getreten war, mag ihm Nunes über die Andeutungen von 1533/37 hinaus mitgeteilt haben, daß die so schwer zu fassenden "paradoxen Rhumben" sich doch eigentlich durch einen approximierenden Umgang mit Großkreisstücken in den Griff bekommen lassen müßten, - ein Verfahren, das er - Nunes - demnächst in seinen Gesammelten Abhandlungen in einer besonderen Abhandlung Über die Kunst und das Regelwerk der Navigation propagieren werde, wobei er allerdings die Auffüllung des betreffenden Canons den jüngeren unter den Mathematikern (?seiner Schule in Coimbra) überlasse.

    Pedro Nunes realisierte diese ?Mitteilung an John Dee in der Tat dann auch im Jahre 1566 bei der Herausgabe seiner gesammelten Werke. In den Petri Nonii Salaciensis opera, Basilae 1566, findet sich der Traktat De arte atque ratione navigandi , in dessen Kapitel XXVI er den Satz (propositum) behandelt "globum rumbis delineare" (wie man die Rhumben (Loxodromen) auf dem Globus darstellt). Das Rhumbentafel-Schema auszufüllen, überläßt er in der Tat jüngeren Scholaren ... .
    Hatte John Dee das Problem der Hochseeschiffahrt spätestens mit Hilfe seines Freundes Gerhard Mercator in Löwen kennengelernt, so war es nun als adviser der Muscovy-Company an ihm, wenn schon nicht die "richtigen" Karten zu liefern, so doch wenigstens das korrekte kompaßorientierte Koppel-Segeln zu lehren. 

    Dazu bedurfte es eines Canons, einer Richtungstafel, aus dem | aus der der Pilot die zutreffenden Angaben - ohne rechnen zu müssen: yea (if need be) in one minute of time, and sometime, without sight of Sun, Moone or Star - (!!!) entnehmen konnte : 
     

      Frage an John Dee:
      Wenn ich z.B. vom 20. Breitengrad im 1.Rhumb Nord ten oosten - der flandrischen Windrose entsprechend - zum 21. Breitengrad "hinauf"segele, - wie groß ist dann die gesegelte östliche Längendifferenz?

      Dee's Canon gibt die Antwort: 
      ..., dann bist du  - natürlich ohne Berücksichtigung von Winddrift und Strömung - um 12' 40'' nach Osten abgekommen.

    organum directorium

    5. Es stellt sich daher die Frage: 

    Ist denn das Tabellenwerk des paradoxall compas des John Dee aus den Jahren 1557/1558 - wie es im Ashmolean Manuskript 242 fols. 139r-154v von 1576 vorliegt - in der Tat 
    gemessen an den Möglichkeiten und mit den Hilfsmitteln der späteren loxodromischen Trigonometrie kontrolliert
    eine Art organum directorium - wenn auch nicht geometrisch-konstruktiver Art wie 1569 bei Gerhard Mercator , sondern tabellarisch-berechneter Art? 
    Die einfache Antwort lautet: Ja.
    .
    Daß John Dee rechnet - nicht konstruiert - , das geht schon aus der Präzision seiner Tabellenwerte "bis auf Sekunden genau" hervor 
    - abgesehen von "Ausreißern" 
    a) bei Rhumbenrichtungen jenseits von 45°
    b) bei Breiten jenseits von 70° N | S.
    Auf Grund welcher Vorstellungen - kalkulatorischer | navigatorischer Art - John Dee vermutlich gerechnet hat - z.B. mit Hilfe des Canon doctrinae triangulorum , Leipzig 1551, des Joachim Rheticus  - , werde ich weiter unten zeigen.

    Betrachten wir zunächst den Ansatz der loxodromen Trigonometrie, die heutigentags die Gleichung der Kugelloxdromen wie folgt darstellt:
     


    Da John Dee nicht - wie ?später Gerhard Mercator - gefragt hat: 
    Wie muß die Plattkarte konstruktiv verändert werden, damit in jeder Breite die vera similitudo vel ratio - die wahre Ähnlichkeit oder das wahre Verhältnis - zum Äquator eingehalten wird ?
    sondern allein bei vorgegebener Breite und vorgegebener Segelrichtung  die Längendifferenz gegen Osten | gegen Westen für auf dem Großkreis nach Norden | Süden  zu bestimmen trachtete, ist die Loxodromengleichung nach aufzulösen:

    Ich halte fest:
    1. Erst das folgende Jahrhundert ist in der Lage, die Funktion ln ( tan ) auszuwerten. 
      1. Z.B. war Gerhard Mercators holsteiner Namensvetter Nicolaus Mercator  1666ff an dieser Entwicklung beteiligt.
    2. Das Auftreten des Faktors tan (  ) stimmt uns schon auf das approximative Vorgehen John Dee's ein, - wie wir sehen werden.

     
    Der CANON genügt höchsten Ansprüchen

    6. Werfen wir jetzt einen (ersten) Blick auf den Canon des John Dee für  = 78.75° :
     

    John Dee . . Theorie .
    . Longitude . . .
     Latitude Continuate Resolute 'Continuate' 'Resolute'.
      5°  1' 39'' 5°  1' 39'' 5°  1' 39'' 5°  1' 39''
    10°  3' 24'' 5°  1' 45'' 10°  3' 24'' 5°  1' 44''
    15°  5' 20'' 5°  1' 56'' 15°  5' 20'' 5°  1' 55''
    20°  7' 32'' 5°  2' 12'' 20°  7' 32'' 5°  2' 12''
    25°10'   7'' 5°  2' 35'' 25° 10'   7'' 5°  2' 34''

    Die Dee'sche "resolute" entspricht der Längendifferenz , die "continuates" sind nichts anderes als die fortscheitenden Summen der "resolutes".

    Es ist schon hier festzuhalten, daß der Canon Dee's offenbar höchsten Ansprüchen genügt:
    Im noch unempfindlichen Eingang der Tabelle 78°45' [1°-5° ] kommt eine Abweichung gegenüber der Theorie von nur einer Sekunde =  einer sechzigstel Seemeile - d.h. von gerade einmal rund 31 m - vor. Ein erstaunliches Resultat. 

    Entscheidend für die Genauigkeit der Dee'schen continuate-Spalten ist dabei die Genauigkeit der Werte in den resolute-Spalten

    • Die Fehler der resolutes pflanzen sich von Grad zu Grad in den continuates fort. 

    7. Betrachten wir die aus Abschnitt 3 induzierte Rekonstruktion der Dee'schen resolutes zunächst hinsichtlich der angeführten Canon-Werte:
     
    Latitude Resoluten für 78.75° Rekonstruktion
    5°  1' 39'' 5°  1' 39''
    5°  1' 45'' 5°  1' 44''
    5°  1' 56'' 5°  1' 55''
    5°  2' 12'' 5°  2' 12''
    5°  2' 35'' 5°  2' 34''

    so ist zuerst einmal festzustellen, daß auch hier bei der Rekonstruktion eine Übereinstimmung - wie bei der Theorie - "bis auf eine Sekunde genau" - vorliegt. 

    Es  ist die also Frage gestattet, 

    • ob das von mir angewandte rekonstruktive Verfahren - auf dem Boden und nur auf dem Boden der von Dee beherrschten Mathematik - d.h. der Arithmetik und Trigonometrie des Jahrhunderts - das Rechenverfahren für die Dee'schen resolutes selbst ist?
    Daß beim östlichsten | westlichsten Kurs in der 7. Rhumbe = "78 D 45 M" - wie zu erwarten: auch in den anderen Rhumben - in den nördlichsten | südlichsten von Dee angepeilten Breiten - zwischen 60° und 80° (immerhin!) - mit größeren Abweichungen zu rechnen ist, ist nahezu selbstverständlich. Mögliche Rechenfehler Dee's - E.G.R.Taylor ist der Auffassung, daß das MS "hastily" verfertigt worden ist (offenbar weil die stete Summation immer wieder mit Korrekturen rein arithmetischer Art verbunden ist) -  lassen sich natürlich nicht nachvollziehen. Sie streuen in den Breiten 60° bis 80° über alle Rhumbentafeln in unterschiedlicher Weise.

    Daß aber selbst in der größten Breite (80°) die Abweichungen in den Resoluten gelegentlich  "nur"
     

    Dee : Rekonstruktion            =  1' 15''
    Dee : Theorie            =       3'' (!)

    betragen, sind dennoch Indizien besonderer Art.

    Wer sich die vergleichenden Tafeln Dee : Theorie : Rekonstruktion genauer vor Augen führt, erkennt natürlich, daß in allen Tafeln einige - höchstens durch Rechenungenauigkeiten erklärbare "Ausreißerdaten" vorkommen. Die erstaunlichste Folge von Abweichungen kommt dabei im 7.Rhumb (78.75°) vor. 

    • Kurz bevor John Dee die Beziehungen auf der achtzigsten Breite bis auf 3'' genau berechnet, liegen für die Breiten 77°-79° unerklärbare Abweichungen von über 2000'' , 0.55°, vor.
    In die Dee'schen Tafeln habe ich zum Vergleich die Längendifferenzen der Theorie wie die der Rekonstruktion eingearbeitet. 

    Mit Hilfe eines PASCAL-Programms kann sich der interessierte Leser schnell für jeden Rhumb einen Überblick über die Unterschiede zwischen Dee, Theorie und Rekonstruktion verschaffen. Die Unterschiede sind in Sekunden ausgewiesen. 
    Am Ende werden jeweils die mittleren einfachen Abweichungen ("Fehler"), die mittleren quadrastischen Abweichungen sowie die Streuung der Abweichung um die einfache mittelere Abweichung angegeben. 

    Wird nicht "mein" Navigator benutzt, so müssen die *.txt-files mit heruntergeladen werden.

     
    Die / eine Rekonstruktion des CANONs

    8. Wie aber läßt sich Dee's Ansatz gemäß Abschnitt 3 rekonstruieren? 

    Ob mit Unterstützung durch Nunes oder nicht :

    • Wer sich mit der Situation der Hochseeschiffahrt des 15. und 16. Jhs vertraut gemacht, 
      • zumindest Gerhard Mercators Ansatz von 1541 zur Kenntnis genommen, 
    • über das Segeln auf Großkreisen nachgedacht und 
    • sich darüber hinaus zu trigonometrischen Rechnungen befähigt hatte, 
    • der konnte zu den folgenden Vorstellungen voranschreiten:
    • Er konnte das Kugeldreieck CDE als hinreichend klein ansehen und den Versuch wagen, die bekannt-gekrümmten Kugelgrößen CD, DE und EC von der Kugel als gerade Strecken in die plane Ebene zu übertragen (delineare). Allerdings,
      • während er DE ?leicht ?exakt ( » 22/7) rektifizieren kann: DE = 2 / 360
      • muß er bei der Rektifizierung von CD · cos(  ) mit einem (größeren) Fehler rechnen. 
    • Er macht diesen Fehler aber hinreichend klein, wenn er die folgenden Gesichtspunkte berücksichtigt:

    •  
      • Als (fortschreitenden) Breitenunterschied - wie bei John Dee selbst | wie bei Gerhard Mercator 1569 - wählt er z.B. "nur" 1°. 
      • Er wendet darüber hinaus die Methode der Mittelbreiten an, wie sie - im 16.Jh.allgemein und von Gerhard Mercator im Besonderen geübt - schon von Ptolemäus 1400 Jahre früher vorgeschlagen wurde.
    Ich gehe also erstens davon aus, daß John Dee anstelle der Breiten 1°, 2°, 3°, ... die mittleren Breiten 0.5°, 1.5°, 2.5°, ... benutzt hat und habe damit zweitens eine Formel für  zur Hand, die sich ausschließlich eines canonis doctrinae triangulorum - heute würden wir sagen: eines Trigonometrischen Tafelwerkes - bedient:

    Ich halte fest: 

    • John Dee hat gewiß nicht mit einer sec-Tafel gearbeitet; das war aber auch nicht nötig, da er die Kunst des Dividierens offenbar gut beherrschte.
    • Der kugelgeometrische Ansatz, der sich auf die Berechnung - hinreichend kleiner - rechtwinkliger Kugeldreiecke stützt, - durchaus denkbar bei John Dee - führt auf die gleiche Formel für 
    • Ohne Zweifel hätte John Dee bis zur Konstruktion einer Karte ad usum navigantium im Sinne seines Freundes Gerhard Mercator leicht vordringen können - wohlgemerkt: das lag offenbar nicht in seiner Absicht - , wenn man bedenkt, daß sich hinter dem Ausdruck DE · sec(- 0.5°) keine anderen als die vergrößerten Marinusbreiten verbergen, d.s. Mercators vergrößerte Breiten BC der Weltkarte von 1569: 
      • Der Marinus-Breite d entspricht - konstruktiv, hier in differentieller Schreibung - die Mercator-Breite dy = sec() · d BC

    Probieren wir einige Werte aus: 

    • DE = 0.0174533 
    • = 78.75° 
      • = 1° führt zu 
      • °5° 1' 39'' (Dee: 5° 1' 39'')
      • = 5° führt zu
      • ° = 5° 2' 34''  (Dee: 5" 2' 35'')
      • = 80° führt zu
      • ° = 27° 35' 13'': Dee hat 27° 36' 31'', die Theorie liefert 27° 36' 28''.
    etc.etc.

    Ich gehe also davon aus, daß damit - der Rest ist Rechnung bzw. Statistik - die Methode des Canon Gubernauticus von John Dee aus den Jahren 1557ff. rekonstruiert ist.
     
     

    Dee's Erstaunen machende Genauigkeit

    9. Stellen wir zum Schluß die auf den einzelnen Tafeln ausgewiesenen Beziehungen zwischen den Dee'schen Tafelwerten, den Werten der loxodromen Trigonometrie wie der Rekonstruktion nach den Mittelwerten m und ihrer stochastischen Streuung s systematisch zusammen.
     

    Da in den Breiten größer als 70° N | S etliche "Ausreißer" die über weite Strecken geradezu fabelhafte Übereinstimmung - im wahrsten Sinne des Wortes "sagenhafte" Übereinstimmung der Dee'schen Ergebnisse | Rechnungen mit denen der loxodromen Trigonometrie wie der hier versuchten Rekonstruktion - "stören": ?Flüchtigkeitsfehler, ?Rechenfehler, habe ich die vergleichenden Untersuchungen sowohl auf die Breiten von 1° bis 80° als auch auf die Breiten allein von 1° bis 70° erstreckt.


    Der geneigte Leser mag sich dann selbst von der Großartigkeit des Dee'schen Tafelwerkes wie von den ?marginalen Schwächen einzelner Rechnungen überzeugen.
     
     

    1.Rhumb Dee: Theorie Dee: Rekonstr. Theorie: Rekonstr.
    1..80   m 6" 6" 0"
               s 20" 20" 1"
    1..70 0" 0" 0"
    . 4" 4" 0"
    2.Rhumb . . .
    1..80 1" 2" -1"
    3" 4" 1"
    1..70 1" 1" 0"
    . 2" 2" 0"
    3.Rhumb . . .
    1..80 9" 10" -1"
    . 69" 70" 1"
    1..70 1" 1" 0"
    . 2" 2" 0"
    4.Rhumb . . .
    1..80 3" 4" -1"
    . 12" 14" 3"
    1..70 1" 2" o"
    . 2" 2" 1"
    5.Rhumb . . .
    1..80 -3" -1" -2"
    . 25" 23" 4"
    1..70 1" 2" 0"
    1" 2" 1"
    6.Rhumb . . .
    1..80 13" 15" -3"
    . 54" 58" 6"
    1..70 0" 1" -1"
    19" 20" 1"
    7.Rhumb . . .
    1..80 -91" -86" -5"
    . 534" 526" 13"
    1..70 -1" 0" -2"
    . 21" 20" 2"

    Zum Verständnis sei noch einmal an den Werten für den siebten Rhumb erläutert:

    Die Abweichungen der Dee'schen Werte von denen der Theorie belaufen sich (hier) "im Mittel" auf -91", d.h. sie sind im Mittel kleiner als die Werte der Theorie.
    Innerhalb der dreifachen Streuung von rund 27' (3·534'') liegen nahezu 99% aller Abweichungen im Falle aller Breitengrade von 1° bis 80° um den Mittelwert von -1' 31" "verstreut". 
    Betrachtet man die Verhältnisse nur bis zum 70. Breitengrad, so verbessern sich die Maßverhältnisse wie angezeigt: "im Mittel" weichen die Dee'schen Werte von denen der Theorie um -1'' ab, sie schwanken in 99% aller Fälle höchstens um 1' (3·21'') um diesen Mittelwert.
    Die Maßzahlen für die Beziehung zwischen der Theorie und der approximierenden Rekonstruktion zeigen eine gute (signifikante) Parallelität an. Die negativen Mittelwerte machen dabei auf den gravierenden Unterschied von Theorie und Rekonstruktion aufmerksam: 
    • Die Rekonstruktion geht von 1°-Differenzen aus, die Theorie von "unendlichkleinen", die sie beliebig genau bis zu einem Grad aufsummiert. In der Summe muß sie daher im allgemeinen die Werte der Rekonstruktion - in deren Beschränkung auf die "endliche" Differenz von 1° - übertreffen. 
    Den Nachvollzug der Rechnungen des John Dee mag sich der interessierte Leser mit den folgenden Computerprogrammen anschauen:
     
    Theorie Rekonstruktion Vergleich resoltutes &continuates

     
    Hätte John Dee ...

    10. Eine letzte Überprüfung und einen letzten Vergleich: kann ich / man leider nicht durchführen:

      Welche geometrischen Vorstellungen haben den Rechnungen John Dee's letztlich zugrunde gelegen ?
    Die Ashmolean-Manuskripte John Dees enthalten keinerlei Skizzen oder Zeichnungen, aus denen die geometrischen Vorstellungen Dees abgeleitet werden könnten.

    Es bleibt (aber) dabei:

    Die Statistik ist überzeugend - wie bei den Konstruktionen zur Weltkarte 1569 - ; eine letzte Sicherheit ist bis auf weiteres nicht gegeben, weder bei John Dee noch bei Gerhard Mercator, - was sich eigentlich jeweils ohne weitere Findung von Quellen von selbst versteht.

    1557 | 1569 | 1592 | 1594/99

    11. Ich habe weiter oben erwähnt, daß John Dee nahe vor der Entdeckung der Verhältnisse der Weltkarte von 1569 bzw. kurz vor der Aufstellung der ersten Meridionaltafeln stand - 35 Jahre vor Harriot (unveröffentlicht), 37 (als 'paper' kursierend) bzw. 42 Jahre (Certaine errors) vor Wright.
    • Das geometrische Analogon zu  führte - falls meine Untersuchungen von 1994 zu einer wahrscheinlichen Theorie der Entwurfsmethode der Weltkarte 1569 geführt haben - Gerhard Mercator zur geometrischen Konstruktion der vergrößerten Breitendifferenzen, und nur die Lehrabsicht des adviser's der Muscovy-Company verhinderte nun die weitergehenden Konstruktionen - 
      • welches Unterfangen 12 Jahre vor ad usum navigantium,
      • nicht zu sprechen vom "Scheitern" des Loxodromen-Entdeckers Nunes bis in das Jahr 1566 selbst, globum rumbis delineare ...
      Wahrlich insgesamt Gründe genug, die Genialität des 30-Jährigen John Dee herauszustellen.
    Da John Dee "natürlich" nicht an die Berechnung der vergrößerten Breitendifferenzen gedacht hat - obwohl sein Weg zu den resolutes und continuates zwangsläufig über sie führte - , sei es gestattet, mit heutigen Mitteln dies nachzuholen. 

    Der interessierte Leser mag dazu ein Computerprogramm aufrufen und sich über die Nähe von Rekonstruktion (nach Dee) und (heutiger) Theorie nur so wundern. Wundern darf er sich dann auch über das Folgende:

    über die Praxis des "paradoxen Kompaß"  ...

    12. Anhand des von mir favorisierten Ansatzes  mag sich der interessierte (und in der Dreiecksrechnung versierte) Leser davon überzeugen, daß auch die Lösungen der navigatorischen Aufgaben, die vom loxodromischen Längenbegriff Gebrauch machen, durchaus ohne allzu große Beschwerden möglich sind, denn Dee scheint seine Tafeln auch dafür berechnet zu haben: duely to vse the same, to all maner of purposes, whereto it was inuented.
    Im verallgemeinerten (1° || Dj) "Dee'schen Dreieck"CDE - s.v.v. - auf der Kugel mit dem 
     

    Radius r = 1
     gilt: 
    s = 

    Für  r= RErde liefert diese "Näherungsrechnung" die exakte Gleichung

    Wenn man davon ausgeht, daß John Dee die chief pilotes gewiß gelehrt hat, wie man mit der Funktion (Tafel)  und mit dem Erdradius proportionally geeignet umgeht, und wenn Dee dabei 1 legua als Recheneinheit zugrunde legte, brauchten die Piloten nur die Proportion

    nach s [in Leguen] aufzulösen. 
    Nehmen wir als Beispiel

    Ein Schiff segele im 4.Strich = 45° von 38°N hinauf nach 40°N.
    Wie lang ist die gesegelte Strecke?

    (® Canon Tafel 4)
    - was mit unserem Strichtafelbeispiel - in den Grenzen der Fehler dieser frühen Tafeln - gut zusammen stimmt.

    Schade, daß John Dee uns seine
    - ohne Zweifel: genialen -
    Gedanken allein zur Re(kon)struktion überlassen hat.