[1]1996ff
1998 wurde mir ein Aufsatz bekannt, den der Kartographiehistoriker P.C.J. van den Krogt, Universität Utrecht, aus Anlaß des "Mercator-Jahres 1994" geschrieben hat: "Van Atlas tot atlas", Kartografisch Tijdschrift 1994, XX.3, 11-18. Van den Krogt benutzt S. 13 die Bezeichnungen "Atlas sr." und "Atlas jr.", läßt aber offen, ob Mercators Bemerkung am Ende der Praefatio auf den Junior abzielt: "Aan het slot schrijft Mercator dat zijn doelstelling was deze Atlas te volgen, waarbij het niet duidelijk is of hij Atlas sr. of Atlas jr. bedoelt."
Vgl. dazu 3.1. (Hunc Atlantem kann - kontextbezogen - nur Atlas junior apostrophieren.)

[2]Brief
Der "zweite" Briefwechsel kam 1997/98 in der Abhandlung von Joseph Milz: Ein bisher unbekannter Briefwechsel Gerhard Mercators mit Jonannes Vivianus, Duisburger Forschungen 43, 1-20, - fortan zitiert als "Milz98" an das Licht der Öffentlichkeit; der "erste" war 1908 von A.Tihon öffentlich gemacht worden. 

[3]Niedergeschlagenheit
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Es wird - meiner Ansicht nach - bei der Betrachtung der letzten Lebensjahre Gerhard Mercators viel zu wenig beachtet, daß und wie sich spätestens seit 1590 seine Lebensumstände in Duisburg radikal zum Schlechteren entwickelt haben.
Wie betroffen sich Gerhard Mercator nach 1590 gefühlt haben muß, zeigt dann auch der - vertrauenswürdige - Bericht des Walter Ghim an:
 
"Cumque illi linguae vsus integrè restitutus esset, vidi illum lacrimantem pectusque suum ter quterque pugno tundentem atque dicentem: 'Percute, ure, seca seruum tuum domine, & si non satis acriter percussisti, percute fortius acriusque pro beneplacito tuo, vt in futura vita mihi parcas &c." Als er wieder in den vollen Gebrauch der Sprache gekommen war, sah ich ihn, wie er weinte und sich drei-, viermal mit der Faust auf die Brust schlug und ausrief: 'Schlage, brenne, schneide Deinen Knecht, o Herr, und wenn Du ihn nicht hart genug getroffen hast, schlage ihn noch stärker und heftiger nach Deinem Wohlgefallen, damit Du im künftigen Leben mich schonst etc.'

Nunmehr nötigen uns diese Nachrichten über Gerhard Mercator zusammen mit den  Bemerkungen Gerhard Mercators selbst in Milz98 diese Berücksichtigung förmlich auf.


[4]nach drei Jahren | also
Bedenken wir die von Ghim beschriebenen Folgen dieses zweiten Gehirnschlages, so müssen wir wohl den Zeitpunkt dieses Ereignisses nach dem 4. Juni 1593 ansetzen. 
Die Folgen des Gehirnschlages ließen zwar mit der Zeit ein wenig (einigermaßen) nach: "quae vero aegritudo sese paulatim nonnihil remisit", so daß er am Ende wieder der Sprache mächtig war, aber die Fähigkeit zu weiterer wissenschaftlicher Arbeit war ihm für den Rest seines Lebens wohl genommen.
Ich kann mir dabei durchaus vor-stellen, daß er die Briefe von Solenander und Sinstedius Mitte 1594 noch zur Kenntnis genommen und Rumold daraufhin angewiesen hat, einen Teil des Brieftextes in das 13. Kapitel (Über den Lebensbaum) einzubinden: Schon 1992ff. haben mich die Formulierungen dieses Kapitels im ganzen vermuten lassen, daß Gerhard Mercator dieses Kapitel nach den Vorträgen des Solenander aufgeschrieben hat: Solenander ergänzt in seinem Brief einfach das noch - wie ihm scheint - Fehlende.

[5]Überlieferung
So schreibt Benjamin Hederich in seinem "gründlichen mythologischen Lexikon" von 1770, XLVI. Auf Hederichs Lexikon werde ich mich vielfältig beziehen, ohne es immer wieder anzuzeigen.
[6]Erzählstrang
Da Gerhard Mercator den phönikischen Weg der Geschichte nach Eusebius (Philo) / Diodor wählt, ist es ihm möglich, auf den Titanen Atlas und seine mythologischen Attribute zu verzichten, um dafür seinen Sohn, Atlas junior (s.v.v) einzubringen.

Daß die Erzählung aus dem Phönikischen aufgenommen wird, erkennt man deutlich an den "schmückenden" - aus der phönikischen "Geschichte" stammenden - Zugaben :
 

  • Basilia - sie kommt in der Theogonie des Hesiod nicht vor - war nach Diodor III, 59 die älteste Tochter des Uranos und der Titea. Sie erzog ihre übrigen Geschwister und wurde dewegen auch magna mater (Große Mutter, auch Dea bona, Gute Göttin) genannt. Nach dem Todes des Vaters.erhielt sie die Herrschaft. Um ihrem Stamm die Herrschaft zu erhalten, heiratete sie - bis dahin Jungfrau und keinem zugetan: "adhuc virgo, cum nulli antea nupsisset" - ihren Bruder Hyperion, mit dem sie die Kinder Helius (Sol) und Selene (Luna) hatte. 
    • Apollodor von Athen ( um 160 v.Chr.) erzählt im ersten Buche seiner bibliotheca I 2:3 nur wenig anders. Hier wird zudem Hyperion als derjenige eingeführt, der als Erster den Lauf von Sonne und Mond und deren Beschaffenheit beobachtet habe. So auch Diodor V,66. 
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    Da sie die Herrschaft nach ihrem Tode an ihre Kinder - keineswegs aber an ihre (anderen) Brüder - übertragen wissen wollte, töteten ihre (anderen) Brüder den Hyperion und ertränkten den jungen Helius im Eridan. Seine Schwester Selene stürzte sich - getrieben von der Trauer um das Schicksal ihres Bruders - von den Zinnen des mütterlichen Palastes zu Tode. Als Basilia Helius am Eridan suchte, fiel sie in "Ohnmacht": Im Tiefschlaf erschien ihr Helius, der ihr den Ratschluß der Götter verkündete, fürder sollten die Sonne nach ihm, der Mond aber nach seiner Schwester genannt werden. Als Basilia daraufhin erwachte, waren ihre Sinne verwirrt: Mit dem Spielzeug ihrer Tochter lief sie "mit zerstreueten Haaren, als unsinnig, unter Trommel- und Cymbelschalle unher". Als man sie festsetzen wollte, "so erhub sich ein schreckliche Wetter, mit Regen,Donnern und Blitzen, nach welchem sie nicht mehr gesehen wurde. Sie wurde daher göttlich verehret, und ihr Gottesdienst insonderheit unter einem Geschwärme mit Trommeln und Cymbeln verrichtet."
  • Dagon - nach dem phönikischen Dagahn = Getreide genannt - wurde von den Philistern als Sohn des Uranos verehrt und für den Erfinder des Pfluges gehalten. Er soll die Menschen gelehrt haben, wie man aus Getreide Brot zubereitet. Nach seinem Tode erhielt er deshalb auch den Beinamen "Jupiter Arotrius = der Ackersmann = Zeus Aruräus" und wurde "unter die Götter versetzt": er wurde fürder als.eine Gottheit der Philister verehrt. (Eusebius Praep.ev.LI,10) Als solche kommt er dann auch im AT vor. (Im Hebräischen heißt "Dag" soviel wie Fisch und bezeichnet ein männliches Symbol der "unendlichen Fortpflanzbarkeit".) Erwähnung findet Dagon  im 
    Buch der Richter 16, 23: 
      "Samson dachte, er werde auch diesmal wie bisher entkommen und die Fesseln abschütteln. Denn er wußte nicht, daß der Herr ihn verlassen hatte. 
      21 Da packten ihn die Philister und stachen ihm die Augen aus. Sie führten ihn nach Gaze hinab und fesselten ihn mit Bronzeketten und er mußte im Gefängnis die Mühle drehen. 
      22 Doch sein Haar, das man abgeschniten hatte, fing wieder an zu wachsen. 
      23 Die Fürsten der Philister versammelten sich, um ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darzubringen und ein Freudenfest zu feiern. Sie sagten: Unser Gott hat unseren Feind Samson in unsere Gewalt gegeben. 
      24 Als das Volk Samson sah, priesen sie ihren Gott und sagten: Unser Gott hat unseren Feind / in unsere Gewalt gegeben, / ihn, der unser Land verwüstet hat, / der so viele von uns erschlagen hat."


    wie im 

    ersten Buche Samuel 5,1ff.:

       
      "5 Die Philister brachten die Lade Gottes, die sie erbeutet hatten, von Eben-Eser
      nach Aschdod. 
      2 Dann nahmen sie die Lade Gottes, brachten sie in den Tempel Dagons und stellten sie neben Dagon auf. 
      3 Als die Einwohner von Aschdod aber am nächsten Morgen aufstanden, war Dagon vornüber gefallen und lag vor der Lade des Herrn mit dem Gesicht auf dem Boden. Sie nahmen Dagon und stellten ihn wieder an seinen Platz.
      4 Doch als sie am nächsten Morgen in der Frühe wieder aufstanden, da war Dagon wieder vornüber gefallen und lag vor der Lade des Herrn mit dem Gesicht auf dem Boden. Dagons Kopf und seine beiden Hände lagen abgeschlagen auf der Schwelle. Nur der Rumpf war Dagon geblieben. 
      5 Deshalb treten die Priester Dagons und alle, die in den Tempel Dagons kommen, bis zum heutigen Tag nicht auf die Schwelle des Dagon von Aschdod.
      6 Die Hand des Herrn lastete schwer auf den Einwohnern von Aschdod, und er versetzte sie in Schrecken und schlug Aschdod und sein Gebiet mit der Beulenpest.
      7 Als die Einwohner von Aschdod sahen, was geschah, sagten sie: Die Lade des Gottes Israels darf nicht bei uns bleiben; denn seine Hand liegt schwer auf uns und unserem Gott Dagon."
Dem eifrigen Bibelleser Mercator werden diese Stellen des AT gewiß nicht unbekannt gewesen sein; und er wird sie als eine Bestätigung der von Eusebius / Diodor erzählten Geschichte - nicht Geschichten - angesehen haben.
  • Ebenso erscheint Baetilus nur in der Phönikischen Geschichte des Sanchoniathon. (Philo: Eusebius Praep.ev. I 10)
Mit dem Titanen Atlas, Atlas senior, hat Gerhard Mercator wenig im Sinn. Sein Atlas-Vorbild hat er - ganz anders als Lafreri: 

Atlas senior
 - auf großartige Weise in Kupfer gestochen: 
 

Atlas junior
Frei von irgendwelchen himmlischen oder irdischen Lasten entwirft Atlas junior mit großem königlichem Schwung die Erde auf Globen uns stattet sie mit Gradnetzen aus, da ihm die Fabel nachsagte, er sei der erste gewesen, der eine Sphäre (einen Globus) mit dem Bild der Erde entworfen hätte. (Siehe weiter unten.)

[7]exzerpiert
Siehe Eisfeldt: Textkritische Bemerkungen.

[8]Sol = Bel
Philo erzählt bei Eusebius Praep.ev. I, 10 von Baal-Zamen oder Beel-Semen, dem Herrn des Himmels, der ersten Gottheit, die die Phöniker anbeteten. Sie identifzierten ihren König als diese Gottheit wie diese mit der Sonne: Mit seiner Gattin Beruth lebte er in Byblio (Byblus) : "in Byblio habitabat - ambos insigniter in Astronomia & naturalibus disciplinis versatos, ita ut erudiotionis gratia Solis & Caeli nominibus digni haberentur". 
 
Es lag also schon am Großvater, daß die durch die spätere Geschichte ausgezeichneten Söhne und Enkelsöhne sich als 
wohlerzogen und für astronomische und naturwissenschaftliche Fragen überhaupt begabt erwiesen haben, - wenn man einmal von den mörderischen Querelen innerhalb der zweiten Generation nach Bel absieht.

[9]Kritias
Im Kritias des Plato unterhalten sich Timaios, Kritias, Sokrates und Hermokrates  weiter über die Entstehung der Götter: Timaios hatte ja den Anfang mit der Erzählung im Timaios gemacht. Den Bericht übernimmt Kritias: "Wohl, mein Timaios, ich übernehme sie [die Fortsetzung der Göttererzählung]. Doch was auch du zu Anfange getan hast, daß du nämlich wegen der Schwierigkeit des zu behandelnden Gegenstandes die Nachsicht erbatest, eben das erbitte auch ich mir tun zu dürfen und wünsche, derselben in noch weit höherem Grade in bezug auf meine folgende Auseinandersetzung teilhaftig zu werden. ... An männlicher Nachkommenschaft aber erzeugte er [Poseidon] fünf Zwillingspaare und zog sie auf, zerlegte sodann die ganze Insel Atlantis in zehn Landgebiete und teilte von ihnen dem Erstgebornen  des ältesten Paares den Wohnsitz seiner Mutter und das umliegende Gebiet, als das größte und beste, zu und bestellte ihn auch zum König über die anderen Söhne; aber auch diese machte er zu Herrschern, indem er einem jeden die Herrschaft über viele Menschen und vieles Land verlieh. Auch legte er allen Namen bei, und zwar dem ältesten und Könige den, von welchem auch die ganze Insel und das Meer, welches ja das atlantische heißt, ihre Benennungen empfingen; nämlich Atlas ward dieser erste damals herrschende König geheißen. ... Vom Atlas nun stammte ein zahlreiches Geschlecht, welches auch in seinen übrigen Gliedern hochgeehrt war, namentlich aber dadurch, daß der jedesmalige König die königliche Gewalt immer dem ältesten seiner Söhne überlieferte, viele Geschlechter hindurch sich den Besitz dieser Gewalt und damit eines Reichtums von solcher Fülle bewahrte, wie er wohl weder zuvor in irgendeinem Königreiche bestanden hat, noch so leicht künftig wieder bestehen wird, und war mit allem versehen, was in der Stadt und im übrigen Lande herbeizuschaffen nötig war. ...  Indem nun Atlas und seine Nachkommen dies alles aus der Erde empfingen, gründeten sie Tempel, Königshäuser, Häfen und Schiffswerfte, und richteten auch das ganze übrige Land ein, wobei sie nach folgender Anordnung verfuhren.
Zuerst schlugen sie Brücken über die Ringe von Wasser, welche ihre alte Mutterstadt [auf der nun untergegangenen Insel Atlantis] umgaben, um sich so einen Weg von und zu der Königsburg zu schaffen...."

Im Phaidon kommt Sokrates in seinem letzten Dialog mit seinen Freunden und Schülern auf die Herkunft von Ursachen zu sprechen und holt in seiner Erzählung weit aus: "Dieses nun bedenkend [daß es für die Erkenntnis der Ursachen auch darauf ankommt, um das Gute und Böse zu wissen] freute ich mich, daß ich glauben konnte, über die Ursache der Dinge einen Lehrer gefunden zu haben, der recht nach meinem Sinn wäre, an dem Anaxagoras, der mir nun auch sagen werde, zuerst ob die Erde flach ist oder rund, und wenn er es mir gesagt, mir dann auch die Notwendigkeit der Sache und ihre Ursache dazu erklären werde, indem er auf das Bessere zurückginge und mir zeigte, daß es ihr besser wäre, so zu sein. Und wenn er behauptete, sie stände in der Mitte, werde er mir dabei erklären, daß es ihr besser wäre, in der Mitte zu stehen; und wenn er mir dies deutlich machte, war ich schon ganz entschlossen, daß ich nie mehr eine andere Art von Ursache begehren wollte.

Ebenso war ich entschlossen, mich nach der Sonne gleichermaßen zu erkundigen und dem Monde und den übrigen Gestirnen wegen ihrer verhältnismäßigen Geschwindigkeiten und ihrer Umwälzungen und was ihnen sonst begegnet, woher es doch jedem besser ist, das zu verrichten und zu erleiden, was jeder erleidet. Denn ich glaubte ja nicht, nachdem er einmal behauptet, alles sei von der Vernunft geordnet, daß es irgendeinen anderen Grund mit hineinziehen werde, als daß es das Beste sei, daß sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten; und also glaubte ich, indem er für jedes einzelne und alles insgemein den Grund nachwiese, werde er das Beste eines jeglichen darstellen und das für alles insgesamt Gute. 
Und für vieles hätte ich diese Hoffnung nicht weggegeben; sondern ganz emsig griff ich zu den Büchern und las sie durch, so schnell ich nur konnte, um nur aufs schnellste das Beste zu erkennen und das Schlechtere. Und von dieser wunderbaren Hoffnung, o Freund, fiel ich ganz herunter, als ich fortschritt und las und sah, wie der Mann [gemeint ist Anaxagoras] mit der Vernunft gar nichts anfängt und auch sonst gar nicht Gründe anführt, die sich beziehen auf das Anordnen der Dinge, dagegen aber allerlei Luft und Äther und Wasser vorschiebt und sonst vieles zum Teil Wunderliches. Und mich dünkte, es sei ihm so gegangen, als wenn jemand zuerst sagte: Sokrates tut alles, was er tut, mit Vernunft, dann aber, wenn er sich daran machte, die Gründe anzuführen von jeglichem, was ich tue, dann sagen wollte, zuerst daß ich jetzt deswegen hier säße, weil mein Leib aus Knochen und Sehnen besteht und die Knochen dicht sind und durch Gelenke voneinander geschieden, die Sehnen aber so eingerichtet, daß sie angezogen und nachgelassen werden können, und die Knochen umgeben nebst dem Fleisch und der Haut, welche sie zusammenhält. Da nun die Knochen in ihren Gelenken schweben, so machten die Sehnen, wenn ich sie nachlasse und anziehe, daß ich jetzt imstande sei, meine Glieder zu bewegen, und aus diesem Grunde säße ich jetzt hier mit gebogenen Knien. Ebenso, wenn er von unserm Gespräch andere dergleichen Ursachen anführen wollte, die Töne nämlich und die Luft und das Gehör und tausenderlei dergleichen herbeibringen, ganz vernachlässigend die wahren Ursachen anzuführen, daß nämlich, weil es den Athenern besser gefallen hat mich zu verdammen, deshalb es auch mir besser geschienen hat, hier sitzen zu bleiben und gerechter die Strafe geduldig auszustehen, welche sie angeordnet haben. Denn, beim Hunde, schon lange, glaube ich wenigstens, wären diese Sehnen und Knochen in Megara oder bei den Böotiern durch die Vorstellung des Besseren in Bewegung gesetzt, hätte ich es nicht für gerechter und schöner gehalten, lieber als daß ich fliehen und davongehen sollte, dem Staate die Strafe zu büßen, die er ordnet. Also dergleichen Ursachen zu nennen ist gar zu wunderlich; wenn aber einer sagte, daß, ohne dergleichen zu haben, Sehnen und Knochen und was ich sonst habe, ich nicht imstande sein würde, das auszuführen, was mir gefällt, der würde richtig reden. Daß ich aber deshalb täte, was ich tue, und es insofern mit Vernunft täte, nicht wegen der Wahl des Besten, das wäre doch gar eine große und breite Untauglichkeit der Rede, wenn sie nicht imstande wäre, zu unterscheiden, daß bei einem jeden Dinge etwas anderes ist, die Ursache und etwas anderes jenes, ohne welches die Ursache nicht Ursache sein könnte; und eben dies scheinen mir wie im Dunkeln tappend die meisten mit einem ungehörigen Namen, als wäre es selbst die Ursache, zu benennen.
Darum legt dann der eine einen Wirbel um die Erde und läßt sie dadurch unter dem Himmel stehen bleiben, der andere stellt ihr, wie einem breiten Troge einen Fußschemel, die Luft unter. Daß sie aber nun so liege, wie es am besten war sie zu legen, die Bedeutung davon suchen sie gar nicht auf und glauben auch gar nicht, daß darin eine besondere höhere Kraft liege, sondern meinen, sie hätten wohl einen Atlas aufgefunden, der stärker wäre und unsterblicher als dieser und alles besser zusammenhielte; das Gute und Richtige aber, glauben sie, könne überall gar nichts verbinden und zusammenhalten.
Ich nun wäre, um zu wissen, wie es sich mit dieser Ursache verhält, gar zu gern jedermanns Schüler geworden; da es mir aber so gut nicht wurde und ich dies weder selbst zu finden noch von einem andern zu lernen vermochte, willst du, daß ich dir von der zweitbesten Fahrt, wie ich sie durchgeführt habe zur Erforschung der Ursache, eine Beschreibung gebe, ..."

[10]Kreuzgang
vergl. Birgit Hahn-Woernle: Kloster Ebstorf : Die Bauplastik Stuttgart o.J., SS. 13, 16, 84 (53). Allerdings ordnet Hahn-Woernle auch einfach Last-tragende-Figuren ('Trägerfiguren') in den Halb-Kapitellen ohne Atlas-Typik in den Typus ATLANS ein (so z.B. SS. 16, 74(31: sie spricht diese Figur direkt als 'Atlant' an), 84(52).
 
Atlans im südlichen Ebstorfer Kreuzgang (Copyright (C) 2002 Kloster Ebstorf)

[11]Neapel
Museo Nazionale - Früher gehörte die Statue zum Besitz der Farnese aus Orvieto.
Vermessungen:
"Immer mehr hat sich unsere Vermutung bestätigt - so Thiele, Antike Himmelsbilder 33 - , daß der Künstler, der wenigstens mit annähernder Genauigkeit gearbeitet hat, einen Globus des Hipparchos kopiert oder doch jedenfalls zu Grunde gelegt hat.
[12]spiegelbildlich
So war er auch 1569 mit den Giganten in Patagonien verfahren: Er veränderte eine Vorlage 
des Diego Gutiérrez des Jüngeren aus dem  Jahre 1562 spiegelbildlich - mit kleinen Veränderungen: wie hier.

[13]zurückzunehmen
J.Milz schreibt Milz98, S.16: "Es schwebt Mercator [!] zu dieser Zeit also eine bestimmte literarische Form vor, die er seinem Hauptwerk geben will, eine Rahmenhandlung oder doch zumindest die Form einer Erzählung, er will nicht selbst vortragen, sondern sich gleichsam hinter die Gestalt des Atlas zurückziehen. ... Unter dieser Voraussetzung [sich auf Atlas junior zu beziehen] hat er, wie er ebenfalls schreibt schreibt, den Teil 'de mundi fabrica' fertiggestellt."
Auf die Bedenken, daß ein heidnischer Gelehrter Teile der schon (!) zu diesem Zeitpunkt fertiggestellten Abhandlung De mundi fabrica wohl nicht vertreten könne, geht Milz daselbst (S.17) noch ein. Im Text scheint Milz aber davon auszugehen, daß die Praefatio später als VivianusII geschrieben worden ist; quod non, wenn man nicht die Situation, sondern die Lage Juni 1593 in den Blick nimmt.
[14]Titel
Ich habe diesen Titel 1994 mit "Atlas oder Kosmographische Gedanken über die Erschaffung Welt und ihre kartographische Gestalt" übertragen, Joseph Milz formuliert: "Atlas, das heißt kosmographische Gedanken über die Erschaffung der Welt und die Gestalt des Geschaffenen".


[15]Publikationen
Vgl. Milz98, S.18f.

[16]Gesamtkonzeption
Giovanni Battissta Vico entwickelt in seinen Prinzipien eine Einteilung der poetischen Weisheit, die den Vorstellungen Gerhard Mercators von  einer kommenden Kosmographie durchaus entsprechen: 
"Aber da die Metaphysik die erhabene Wissenschaft ist, die allen Wissenschaften, die "subaltern" heißen, die ihnen zukommenden  Gegenstände zuweist, ... und da die Ursprünge aller Dinge von Natur aus roh sein müssen, müssen wir ... die poetische Weisheit mit einer jenen Dichtern eigenen rohen Metaphysik beginnen lassen, aus der, wie aus einem Baumstammm, auf einem Ast sich entwicklen die Logik, die Moral, die Lehre von der Ordnung der Familie und die Politik, und zwar alle poetischer Natur; auf einem anderen Ast, und ebenfalls  poetischer Natur, die Physik, die die Mutter der Kosmographie sowie ferner der Astronomie gewesen sein muß; letztere muß uns ihre beiden  Töchter, Chronologie und Geographie, als gesicherte darbieten. ... Auf diese Weise gelangt diese Wissenschaft dazu, in einem Zug eine Geschichte der Ideen, Sitten und Taten des Menschengeschlechts [gesperrt von Vico] zu sein."
 Prinzipien 367, vgl. 347, 391. 
1994 habe ich bei der Herausgabe der Kosmographischen Gedanken kurz den Atlas-Entwurf  der Chronologie aufgenommen, um dem Leser der Gedanken eine erste Vorstellung von der Gesamtkonzeption des Mercatorschen "Atlas" zu geben. Dabei bin ich davon ausgegangen, daß eine Rekonstruiktion des Gesamten die von Gerhard Mercator erbrachten "Vorleistungen" in die Darstellung einzubeziehen habe:

               Bd I Kosmographische Gedanken 1595
               Bd II Astronomie 1563
               Bd III.1 Alte Geographie (2 Teillieferungen 1578,1584), 
               Bd III.2 Neuere Geographie 1595 (3 Teillieferungen
           1585,1589,1595), 
               Bd IV Ethnographie (Teile in III.2), 
               Bd V Staatengeschichte, Chronologie1569

Milz98, S.7, sagt von dieser, ersten Konzeption: "Es verdient festgehalten zu werden, daß Mercator nur an dieser Stelle wirklich das ganze Werk vorstellt, also die philosophisch-historischen Abhandlungen und den Kartenteil ..."
 

Ich bin allerdings der Auffassung, daß das Wort von der "historica totius conditi orbis et dispositionis narratio" 1583 nicht auf eine 'philosophisch-historische' sondern vielmehr (a) auf eine dem zeitlichen Ablauf der sechs Schöpfungstage folgende und (b) ansonsten philosophisch-systematische Darstellung der angesprochenen Gegenstände (... Astronomie, Astrologie, später: Wirkungszusammenhänge bei den fünf Elementen) verweist.


[17]Genealogicon
In der Vita-Einteilung sind diese Abhandlungen offenbar in die Abteilung Neuere Geographie aufgenommen worden: am geeigneten  (Karten-)Ort die passende (ethnographische wie genealogische) Geschichte
Im Versteigerungskatalog von 1604 waren betreffende Exzerpte Mercators unter dem Titel "Genealogicum omnium temporum & regnorum, quantum ex scriptoribus collogi potuit absolutum, Index & amussis omnis historiae & omnis rerum gestarum insigniorum Chronicon, Gerardo Mercatore Autore, manuscriptus" vorhanden.

[18]abgeschlossen
Und gerade die Kosmographischen Gedanken über die Erschaffung der Welt, Gerhard Mercators Hexaëmeron, halten viele für das unvollendetste seiner Werke. 

[19]An-Sammlung
Atlanten der Philosophie, der Mathematik, ...  oder der Medizin gibt es heute genau so gut wie die 'hergebrachten' Atlanten der Geo- und  Uranographie.
[20]Bewegung
Über die Stellung und die Ordnung der Planeten hatte sich Gerhard Mercator in VIVIANUS I geäußert: hier hatte er betreffende metaphysisch-ontologische Aussagen anhand der bekannten Bewegungstatsachen gemacht; sozusagen aus letzteren metaphysische Schlüsse gezogen.

Vergl. Milz98, S.11, der im Anschluß an Johannes Mercator

"Hinc elementorum voluit perquirere causas, ex quibus haec mundi machina structa viget,"
Hierauf wollte er den Eigenschaften [?] der Elemente nachforschen, aus denen diese Weltmaschine geformt ist und lebt;
schreibt: "so  sieht es doch so aus, als habe Mercator beabsichtigt, in diesem Teil oder Kapitel eine über die Beschreibung der Ordnung der Himmelskörper im zweiten Teil hinausgehende, "physikalische" Begründung für deren Bewegungen zu geben."

Wie aber soll sich ein Aristoteliker anders als der Meister in De caelo über die Bewegung der Gestirne "physikalisch" äußern?  Ich denke, zu Mercators Zeiten über die "Physik" des Himmels schreiben zu wollen, hieß nichts anderes, als die bekannten astronomischen Tatsachen über die Bewegung der Gestirne aufzuführen, nicht aber über De caelo hinausgehenden Kausalitäten - Gründe für die Bewegungen und ihre Formen - ins Spiel zu bringen. "Physik" außerhalb der Physik des Aristoteles ließ damals noch auf sich warten.



[21]Epitaph in der Salvatorkirche
 
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[22]usquam:
usquam terrarum: eine ciceronische Konstruktion! Auch die Distichen des Johannes benutzen Konstruktionen Ciceros und Vergils.

[23]Johannes Metellus
EPITAPHIUM GERARDI MERCATORIS

                     QUI FUERIM, QUAERIS. TERRAM CAELO AUSPICE TOTAM
                             DISPEXI SUPERIS INFERA CONCILIANS.
                         PER ME COLLUCENT IN CHARTIS SIDERA CAELI,
                           INDIA ET ANTIPODES VELIVOLUMQUE MARE.
                           TOTIUS ET MUNDI DIGESSI TEMPORA FASTIS,
                             ORBIS UT IMMENSI CLAREAT HISTORIA.
                       CETERA, QUAE CUDI, SI POSTUMA LEGERIT AETAS,
                            PRODESSE ILLA SIBI ME VOLUISSE SCIET.
                     IAM, CORAM UT VIDEAM CAELO TERRAQUE TONANTEM,
                           LUCIDA CONSCENDI SIDERA. TERRA, VALE!
                            O TE FELICEM, CHRISTO QUI VIXERIS UNI,
                          UT, CUM QUO VIXTI, VIVERE: CUM HOC LICEAT!

                                                                                 Io. Metellus

NACHRUF AUF GERHARD MERCATOR 

                      Wer ich gewesen ? Vernimm denn: Des Kosmos Tiefen durchforschen
                         ließ mich des Himmels Gunst, Höchstes dem Tiefsten gesellt.
                        Durch mich leuchten auf Karten des Himmels strahlende Bilder,
                              Indiens fernster Bereich, segelbeflogenes Meer.
                          Auch den Wandel der Zeit durchmaß ich in eifrigen Zahlen,
                            zeigte der reichen Natur Werden im deutenden Wort.
                        Wenn, was sonst ich geschaffen, die kommenden Zeiten gelesen,
                             wissen sollen sie dann, dass ich nur nützen gewollt.
                        Ihn nun zu schauen, der Himmel und Erde donnernd durchwaltet,
                             stieg zu Gestirnen ich auf. Erde, vertraute, lebwohl !
                           O du Glücklicher, einzig auf Christus gerichtet im Leben,
                              sei dir ewiges Licht Er, dem du freulich gelebt !

                                                                                Joh. Metellus


[24]Johannes Mercator 
Heinrich Averdunk zitiert die Elogen Teschenmachers: "Johannes magnae vir exspectationis praematura morte paulo post avum occidit."
 Johannes starb also schon kurz nach dem Hinscheiden des Großvaters.

[25]Distichen
Sieben Distiche unter dem Titel Epitaphium in obitum Gerardi Mercatoris avo suo pie ac placide vita defuncto.


[26]In Atlantem Gerardi Mercatoris Avi sui
.
 ...
Qui quoque cunctarum referens primordia rerum, 
   His adhibet et quam dant Biblia sacra fidem. 
Ordine servato commonstrat singula, laus est 
   Prima Creatoris, deinde creata locat. 
Astrorum voluit post hec ostendere motus, 
   Et Planetarum qua vaga turba ruat.
Quin etiam voluit stellarum pandere vires,
   Quatenus & radiijs inferiora doment. 
Hinc Elementorum voluit perquirere causas, 
   Ex quibus hec mundi machina structa viget.
Darauf wollte er sich mit den bewirkenden Ursachen der Elemente (31) beschäftigen,  insofern diese das Gerüst der          gesamten Welt bestimmen / abgeben. *
Adde Geographiae veterisque novaeque tabellas, 
   Quas vastum voluit claudere scriptor opus, 
Sed gravis impedijt morbus, simul ipsa senectus, 
   Et mors postremum multa negavit ei. 

* Johannes beschreibt hier, was dem Großvater in seiner Chaos-Theorie vorschwebte: Die Weltmaschine = das gesamte Weltall = der sublunare wie der translunare Teil - ist durchwebt, strukturiert von den fünf Elementen, deren Wirkung miteinander und Einwirkung aufeinander es zu studieren galt - eine Thematik, die offenbar schon in der Löwener Studierstube Mercators John Dee und Gerhard Mercator faszinierte. Dee lieferte später seinem Freund - inzwischen in Duisburg zuhause - eine !geometrisch-(aristotelisch-)physikalische Theorie der Einwirkungen des Oberen auf das Untere mittels "kosmischer" Strahlung, die - wie es scheint - Gerhard Mercator fürder davon abgehalten hat, sich an einer solchen Theorie zu versuchen, wenngleich er 1585 im Widmungsschreiben an Johann Wilhelm bei der "ersten" Teil-Lieferung seiner Tabulae Geographicae (Frankreich, Niederland, Deutschland) noch schreibt, daß er in einem dritten Teil seiner kommenden Kosmographie (schlicht als 'Werk' bezeichnet) über die Natur, ihre Strahlung und den tätigen Einfluß der Himmelskörper (auf  die untere Welt) zu sprechen kommen müsse, um die wahren Grundlagen der Astrologie darzustellen, "tertio de eorundem [sc.coelestium corporum] natura, radatione et operantium conflexu ad veriorem astrologiam inqirendam". (Vgl. meine Untersuchungen über die Astrologie im Umfeld Mercators (CD).)


[27]Vernerus
In seiner Geographie des Ptolemäus: "In Ptolemae geographiam annotationes", Norimbergae 1514, liber 1, beschrieb er u.a. wie man mit Hilfe des Mondes (den "Monddistanzen", das sind die Winkeldifferenzen der Gestirne inbezug auf die stunden- und tageweise veränderten Stellungen des Mondes) Längenmessungen auf  hoher See durchführen kann. 
[28]einer der ersten
Martin Waldseemüller titelte seine Große Weltkarte 1507 nicht nur als "universalis cosmographia", er gab auch dem als Erläuterungsband beigegebenen Bändchen den Titel "cosmographia liber"
 
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[29]literarischer Ausweis
Als erster kleinerer literarischer Ausweis, der aber gleichzeitig schon seinen Anspruch auf Gehör anzeigt, kann die Frucht seiner Schreibausbildung während seiner Schulzeit in 's-Hertogenbosch  und seiner "Gehversuche" 1537ff angesehen werden: seine Arbeit über den Gebrauch der lateinischen Kursivschrift in kartographischer Absicht: 
Literarum latinarum, quas italicas, cursoriasque vocant, scribendarum ratio
Lovanij, ex officina Rutgeri Rescij Men. Mart. 1540

[30]Kosmographie
Im Versteigerungskatalog finden wir die Munsteri cosmographia [universalis], Basel, angezeigt.

[31]kosmographische Werk
Ich behalte diesen Titel (auch) für die Kosmographischen Gedanken bei, obgleich er hier zu kurz greift.

[32]Chronologie
Nicht nur, daß eine von Gerhard Mercator nicht unterstützte (gewissermaßen: 2.) Auflage der Chronologie von Matthaeus Beroaldus 1575 erschienen ist, er selbst hat  - ausweislich des Versteigerungskatalogs von 1604 - fortwährend für die Chronologie weiter exzerpiert: "Chronologia Gerardi Mercatoris emendata, & aucta, ab Autore manuscripta".
[33]
Spätestens
Im Versteigerungskatalog werden eine Ausgabe Basel 1559 in folio sowie eine Ausgabe Paris 1531 in octavo aufgeführt.


[34]isagogen
Damit haben wir einen weiteren Hinweis auf die Benutzung der Attischen Nächte durch Gerhard Mercator: A.Gellius brachte mit diesem Wort das griechische Wort ei'sagwgh´ in die lateinische Sprache ein. Vgl. W.Teuffel: Geschichte der römischen Literatur6, §365.

[35]Cosmopoeiae
kosmoV, gr. die Ordnung. Pythagoras soll mit diesem Wort als erster das Weltall als ein "wohlgerundetes Ganzes" bezeichnet haben; poi´hsiV, gr. das Machen, daher: die Herstellung, die Schöpfung.

[36]narratio brevis Comopoeiae (b8v-c4v)
Einen weiteren Auszug aus der "Kosmographie des Vaters" finden wir auch im Subskript der Globularweltkarte von 1587/1595 - nach der Weltkarte von 1569 gezeichnet -  von Rumold Mercator.
Dieser Auszug ist nun aber nicht wie bei Bartholomäus als "Fundament aller Philosophie" bzw. "ad pleniorem initorum Astronomiae intellectum" ausgewiesen, sondern allen "Studenten der Geographie" gewidmet: denn ein solcher "studiosus Geographiae ante omnia consideret mundi creationem", möge vor Allem die Erschaffung der Welt [auf die folgende Art und Weise seines Vaters] bedenken. 
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Und dies, damit er, der Leser, tiefer eintauchen möge in die Betrachtungen über die Natur der Welt, um selbst gegen seinen Willen einen vertieften Zugang zu den höheren und verborgenen Geheimnissen der Welt zu erhalten.
 
Bartholomäus Rumold
Primum ergo (quod humana ratio arguit) constat Deum in principio, hoc est, antequam quidquam esset, finxisse sibi punctum aliquem, qui medius esset in toto illo nihilo, hoc est, in toto illo spatio, quod nuc ab orbe occupantur, eique centro seu puncto eam naturam indidit, ut esset sedes seu quies omnium gravium: Circum hoc primo die Deus formauit chaos ... Deus constituto puncto, quod nunc mundi centrum est, pro sede et quietum gravium, massam liquidam informem creans, quam chaos uocant ...
huic similiter eam potentiam & vim naturaliter indidit, ut grauitate sua aequaliter vbique centrum amplecteretur, atque hinc quidem absolutissima illa passimque vsurpata spherici corporis ... illi eam iniecit, excitatoque uehementi spiritu eam agitauit, agitando crassiora grauioaque discreuit, quae centro se ad aequilibrium applicantia, terram ac mare in unum corpus figurae sphaericae dederunt, cuius centrum punctus ille qui sedes est grauium existit,
Ex hoc itaque chao Deus secundo die vi spiritus & flatus, qui totam molem turbauit & commouit, tanquam per vapores eduxit Aethera, ..., quod in eo omnis materia lucis indigesta adhuc & inseparata contineretur, qua enata, quoniam ... statim nox & dies esse coeperunt ... Aequinoctialis polos suos habet, alterum in septentrione, alterum in meridie. supra hoc corpus ut leuiora et nobilora quaeque, ita superiorem locum obtinuerunt, lucidaque materia in globos paulatim collecta, lunam, solem, stellesque reddidit, quae ratione primi mobilis, supremi inquam caeli super polis aequinotialis siue mundi ab ortu in occasum rapiuntur, noctem diemque diuidentes,
Zodiacus est circulus vel potius zona, oblique persecans aequinoctialem ... zodiaci medium Ecliptica dicitur. ... Polos suos habet declinantes ab polis mundi ... at super aliis polis, eclipticae uidelicet, propio motu ab occasu in ortum, aliae citius, aliae tardius circumuol(u)untur.
Iam vero, inferiori massa multum diuque per motum exigata, eductae sunt aquae in alueos & terrae concauitates: illic montes, illic colles sese eleuarunt, nimirum violentissima illa spiritus agitatione, ..., superiorum vi adiuta, pullulascere & ensci coeperunt herbae, arbores, ... Ut autem terra habitationi animalium accommoda fieret, spiritus ille, quo placuit Deo undas in altum attolens, alibi montes et alteriorem terrae aream congessit et solidavit, alibi cavaturas et sinus effecit, in quos fluxilis aqua descenderet ...
Dann allerdings schreibt Rumold die Vorstellungen seines Vaters über die Notwendigkeit eines dritten Kontinents 
(a) aus der Weltkarte von 1569 und
(b) aus dem ihm offenbar schon damals (1587) in Grundzügen bekannten Kapitel II.10 der Kosmographischen Gedanken aus:
(a) Tertium quod tractandum suscepimus fuit: ostendere quae partes orbis et quousque veteribus innotuerint, quo antquae geographiae limites non ignorentur, et priscis saeculis suus honos deferatur. Dicimus autem tres esse distinctas continentes, primam e cujus medio creatum multiplicatumque genus humanum in onem undique terram disseminatum est, secundam quae nova India dicitur, tertiam quae meridiano cardini subjacet. Harum posteriores duae veteribus ignotae penitus permanserunt nisi forte nova India sit quae apud Platonem est Atlantis.
(b) ... terra cum aquis collectis vnam efficiens sphaeram, in suo aequilibrio permanserit ...
quae si a veteribus cognita & examinata fuissent, de nouae continentis, quae nostro seculo inuenta est, deque meridionalis continentis, quae nec dum explorata polo Antarctico subiacet, situ & magnitudine prope verum iudicassent. Etenim cim terrae veteribus cognitae 180 gradibus longitudinis comprehendantur, hoc est, dimidiam tantum sphaeram occupent, necessarium erat tantundem terrarum in altera medietate extare. Et cum Asia, Europa & Africa pro maxima parte ultra aequinotialem, versus boream sint sitae, necesse erat tantam continentem sub antarctico polo existere, quae cum Asiae & novae Indiae siue Americae partibus meridianis, reliquis terris aequiponderaret.
... et quo in aequilibrio penderet tota machina, nostrae continenti quae Asiam, Africam et Europam comprehendit, alteram quam Americam sive novam Indiam vocant ex opposito obiecit, et quia hae duae continentes pro maxima parte supra aequinoctialem versus polum arcticum sunt sitae, ideo his sub polo antarctico tertiam continentem opposuit, maribus undique inter se communicantibus, ut tota terrae marisque machina undique aequilibris esset et consisteret, omnesque partes ex quavis regione ad navigabiles redderentur.


[37]Vermächtnis
Die folgenden Ausführungen werden wohl insgesamt nachweisen, daß dieser Gedanke keine Brüche im Fortschritt der Ausführungen von T.I liber I.1 bis II.19 zuläßt.
[38]Durchsicht
Ich schließe mich hier der Auffassung von Joseph Milz (Milz98 14) an: Druckfahnen muß man nicht unbedingt zurückschicken.

[39]Eingang
Ich habe den Solenander-Text in den Meditationen farblich gekennzeichnet: Allein die Einbettung des Solenander-Textes in den Mercator-Text wurde redaktionell bearbeitet, ansonsten wurde der Solenander-Text wörtlich übernommen.

[40]Meditationen
Ich werde (hier wie dort [ausführlicher] ) zeigen, daß nicht nur keine Brüche im Fortschritt der Meditationen auftreten, sondern auch, daß das ego des Vortragenden mit dem des Autors immer wieder ineins zu setzen ist. So verweist der Autor in der von mir angemerkten Paradies-Stelle wohl doch nicht auf den Ptolemäus des Jahres 1587 - aus dessen ASIA III-Karte (die schon in der reinen Kartenausgabe von 1578 vorkommt) ich die Paradies-Koordinaten abgeleitet habe - , sondern auf die nicht mehr ausgeführte Wiederhergestellte Erdkunde der Alten: II.18, vorletzte Zeile: "De paradiso, vbi fuerit, & quae eius flumina, in veteri geographia restistuta demonstrabo". D.h. aber auch, daß ich aus heutiger Sicht nicht mehr "den logischen Schluß" (Milz98 17) ziehen kann, der Text des Meditationenkapitels 18 sei schon vor 1578 geschrieben worden. Unterscheidet sich die Geographie des Ptolemäus von der Alten Geographie - was nunmehr als wahrscheinlich erscheint - , muß der Text II.18 nicht mehr die Lage des Paradieses in der (früheren) ASIA III - Karte ansprechen, sondern kann - und wird wohl - auf  kommentierende Ausführungen in der zwar konzipierten, aber nicht mehr ausgeführten Alten Geographie verweisen. Die Zeit der Abfassung von II.18 ist damit wieder eine offene Frage. 

[41]Einleitung
Schon hier wird nicht erkannt, daß das prolegomenon in der Tat als die Vorbereitung auf den "Haupttext" anzusehen ist: 
Nachdem Gerhard Mercator "Die Absicht der gesamten Weltbeschreibung" freigelegt hat, 

               In seinem Werk Wider die Heiden bedient sich Thomas von Aquin im zweiten
               Kapitel des zweiten Buches der gleichen Argumente wie Gerhard Mercator

                    die Schönheit der Welt führt zur Erkenntnis der Weisheit Gottes, 
                    unsere Ehrerbietung und Achtung resultiert aus der allhöchsten Macht Gottes
                    und 
                    alles, was wir an Gutem und Vollkommenen in der Welt antreffen, stammt aus
                    der göttlichen Güte selbst. 

entwickelt er - wie in einem akademischen Referat - die Theologie Platons und der Neuplatonischen Schule, um auf dieser Folie "Ein wahres Bekenntnis zu Gott und seiner Dreieinigkeit aufgrund der Heilstümer der Schrift" abzugeben (wie schon w.o. erwähnt). Ohne diese programmatischen,  fundamentaltheologischen Äußerungen zur Trinität ist der gesamte "Haupttext" überhaupt nicht verständlich. (Die Relevanz der Trinitätslehre des prolegomenon für den "Haupttext" belege ich in meinem Anmerkungen und Erläuterungen zur kommenden lateinisch-deutschen Ausgabe der Meditationenin vermehrtem Umfange (CD).)