Zusammenfassung

Die ausgeführten Überlegungen zum stemma atlantis haben wohl zur Genüge gezeigt:
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 1. Die Titelfigur der Kosmographie Gerhard Mercators ist nicht Atlas, der Titane, sondern sein Sohn, Atlas junior.
  2 Der Anstoß zu dieser Figur mag von Erasmus Reinhold gekommen sein. Während aber Reinhold gewiß - wie das Zeitalter überhaupt - an den Titanen Atlas gedacht haben wird, stellen die historisch-systematischen Untersuchungen Gerhard Mercators in scharf bestimmter Deutlichkeit heraus, daß für ihn nur der Bruder des Hesperus, Atlas junior, als Zierde seines Hauptwerkes infrage kommt.
 3 Die durch die kürzlich aufgefundene (bislang) "Zweite Mercator-Vivianus-Korrespondenz" (Milz98), die Atlas junior als denjenigen in das Lebenswerk Gerhard Mercators einführt, "der von der Erschaffung der Welt, von der Astronomie, von der Astromantie, von den Elementen und von der Geographie der ganzen Welt philosophierend handelt" [künftig: handeln soll], aufgeworfene Frage, ob (der im Brief 1593) eingeführte Atlas (junior) als Vortragender der Kosmographie Gerhard Mercators zu denken sei, ist zumindest für das Buch I.der Kosmographie - für die Meditationen - Gerhard Mercators negativ zu bescheiden: 
Der von Mercator futurisch (inducturus) - aber von seiner Einführung in das Werk (stemma atlantis) her völlig un-theologisch definierte und - konzipierte Atlas junior würde das theologische Konzept der Meditationen von der ersten bis zur letzten niedergeschriebenen Zeile förmlich "aufheben", gar vernichten. 
 4 Die Aufzählung der über 30 Jahre entwickelten Buchkonzepte in ihrer lapidaren Kürze des Briefes vom Juni 1593 weist auf einen Autor, der in seiner so schicksalbeschwerten Lage nur unzureichend seine Konzepte umreißt und sich seiner Darstellung In Atlantem nicht mehr umfassend gewiß  gewärtig ist. 
Der Brief scheint daher ungeeignet, das hinreichend ausgereifte Konzept der Kosmographie - so wie es rekonstruierbar ist - unter neue Aspekte zu stellen.
 5 Es ist Mercators EGO, das die Meditationen veranwortet, nicht aber sein figürliches ALTER EGO, Atlas junior.

Werfen wir einen letzten Blick auf Mercators Hexaémeron:

Alle Argumente entstammen einem "großen" christlichen - trinitarisch-bestimmten - schöpfungsoptimistischen Glauben, 
der seine Verantwortung keinem "Stellvertreter" überläßt - überlassen kann:
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Bibel-Text
meditationes
Die roten Ziffern geben die Zeilenzahl der Ausgabe von 1606 an.
meditationes extrordinariae
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I.I.134 Die Absicht
I.I.2117 Neuplatonische Gotteslehre
I.I.334 Über die Trinität
I.II.132 Über die Weisheit des Schöpfers
Prolog
Der Erste Tag
I.II.2117 Über den Beginn der Schöpfung und der geschaffenen Materie
I.II.396 Zweck, Grundlage und Form des Chaos
I.II.4162 Natur und Gestalt des Chaos
I.II.580 Über die falsche bzw. die richtige Vorstellung von den Ideen
I.II.664 Über den zeitlichen Beginn der Schöpfung
Der Erste Tag I.II.7123 Das Chaos
Die Trennung von Land und Wasser
Die Trennung von Licht und Finsternis
Der Zweite Tag I.II.8120 Über den Himmel
I.II.997 Über das coelum empyreum und die Erschaffung der Engel
Der Dritte Tag I.II.10111 Über die Versammlung der elementaren Wasser
Die Vorbereitung der Erde zur Zeugung
I.II.11137 Über die vierfache Stufung und Ordnung
Der Dritte Tag
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I.II.1262
Über die Erschaffung der Pflanzen und Bäume
und die geistige Substanz
I.II.13139 Der Baum des Lebens
Der Vierte Tag I.II.1447 Die Schaffung der Gestirne
Der Fünfte Tag I.II.1546 Die Erschaffung der Fische und Vögel
Der Sechste Tag I.II.1636 Die Erschaffung der Landtiere 
I.II.1759 Die Erschaffung des Menschen
I.II.1856 Adams Sündenfall
I.II.1932 Die Erlösung durch Christus
Die "eigentlichen Meditationen", d.h. diejenigen, die einem "puren" Hexaémeron zuzuordnen sind, halten sich streng an den Aufbau des mosaischen Textes; die "außerordentlichen Meditationes"  I.1-3, II.1, (II.2), II.3-6, II.9, II.11, (II.12), II.13, II.18 und II.19 dagegen werden von ihnen allein veranlaßt, mitgesetzt, sind aber als Exkurse einer umfassenderen "Philosophie Christi" - im  Sinne des Erasmus von Rotterdam - zuzuordnen. Die Exkurse II.18 und II.19 sind darüberhinaus ganz in die  Theologischen Loci von der Erbsünde, der Inkarnation (der Menschwerdung Christi) und der Redemptio (des Erlösungstodes Christi) einzuordnen.
Für den Heiden Atlas junior bleibt in den Meditationen kein Raum.

Daß die Ein-Wort-Metapher vom mauretanischen Atlas junior treffend für eine - seine - so ganz andere - als zeitgenössische - Kosmographie von Gerhard Mercator aufgestellt wurde, belegt sein feines Gespür für die Großartigkeits seines Vorsatzes überhaupt, - wenngleich er bis zu seinem letzten Atemzuge nicht eingeschätzt hat - einzuschätzen ?vermochte - , daß das Gesamt-(Kunst-)Werk seiner Kosmographie die Kraft und das Vermögen eines Einzelnen übersteigt (vgl. w. o.: ENTWÜRFE):

Atlas coelum.
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Erfüllt aber hat sich sein christliches Leben gemäß dem Wahlspruch des Ignatius von Loyola:
Munia ad maiorem Dei gloriam.
Mein Tagewerk war zur größeren Ehre Gottes.



Hier möge nun gelten
Ad maiorem Gerardi Mercatoris gloriam.
Abgeschlossen am 20.Januar 2002.