Primus dies
incipit - Der Erste Tag beginnt
I.II.2De
principio creationis & de creata materia ff. beschäftigt
sich mit dem
Beginn der Schöpfung, d.i. mit der Erschaffung
der Materie (creatio)
ex nihilo -
nicht "ex Deo",
sondern durch den DreiEinenGott - noch nicht mit den
Werken des Ersten Tages.
Seine Ausführungen sind allein dem Prolog
Gen 1,1-3 gewidmet (siehe weiter unten die Exkurse).
Es ist der DreiEineGott, der am ersten Tag seines Schöpfungswerkes
die 'erste Materie' aus dem Nichts schafft und der
aus dieser materia prima
- die zuerst (wie der hl. Augustinus in seinen Bekenntnissen
sagt: ein "prope nihil")
fast (noch) ein Nichts ist - nacheinander "alle
Glieder und Teile" der Welt ableitete - vielleicht
sollte ich im Hinblick auf spätere Äußerungen Gerhard
Mercators sagen: aus-leitete (ohne in eine neuplatonische Metapher
abzugleiten) - , "ex
qua omnia deinceps mundi membra & partes deduxit".
Trinitarisch-fundamental ist dabei Gerhard
Mercators Aussage zu verstehen:
"formavit
& in lucem [primam materiam] protulit,
non prius operante patre, deinde Logo, postremo Spiritu sencto, sed simul
indisiuncti, indesinenter conspirantibus ipsis in vnitate essentiae diuinae",
er formte diese Materie und holte sie ans Licht,
nicht zuerst als reines Werk des Vaters, hierauf des Logos, und zuletzt
des Hl.Geistes, sondern sogleich und unverzüglich im unaufhörlichen
übereinstimmenden Zusammenwirken in der Einheit ihres göttlichen
Wesens.
Denn es verdient schon hier erwähnt zu werden,
daß Gerhard Mercator von einer trinitarischen Schöpfung
ausgeht: Im Schöpfungswerk ist die göttliche Dreifaltigkeit des
DreiEinenGott
involviert.
Mercator lehrt die Trinität - wie Gregor von
Nazianz - als Trinitas creatrx oder
- wie Bonaventura (im Hinblick auf den Titel der Meditationen:)
- als Trinitas fabricatrix.
Die Schöpfung es ist keineswegs als das Werk
des Vaters allein zu verstehen, denn nur aus den göttlichen
Relationen der DreiFaltigkeit lassen sich für Gerhard
Mercator die konstitutiven Relationen des Menschen als des mikrokosmischen
Ebenbildes Gottes (imago Dei) erkennen und ableiten.
Und nicht nur das.
Schon "in dieser
Schöpfung der Materie - wie auch in allem folgenden - ist das Zusammewirken
der drei Faktoren notwendig gewesen: Der Fruchtbarkeit der väterlichen
Macht, der wirksamen und gebärenden Kraft des Logos, der fruchtbarmachenden,
schwängernden und lebendigmachenden Kraft des Heiligen Geistes".
-
Zu einer derartigen Aussage, die sich an eine Aussage
des hl. Irenäus anschließt, aber ist kein a-theologischer
heidnischer Heros, sondern allein tiefe - christliche - Offenbarungsgläubigkeit
fähig.
Die aus den trinitarischen Ansatz resultierende Ähnlichkeit
des Geschöpfes mit seinem Schöpfer bespricht Gerhard Mercator
in I.II.3.
Spricht Moses im wesentlichen auch nur vom zeitlichen Anfang des
Erschaffenen: "omnino ergo de principio temporali
loquitur Moses", so ist doch - auslegend -
der Struktur des IM ANFANG Erschaffenen, dem CHAOS, mehr Raum zu widmen:
"Creato chao accurate cogitandum est, quid
primum in eo fecerit Deus."
I.II.3
Ad
quid creatum sit hoc chaos, & de eius fundamento, ac forma
Was Gott aus diesem CHAOS zu machen beabsichtigte, verstehen wir -
damals wie heute - allein aus den aus dieser Ur-Sache ausgeleiteten Wirkungen:
"&
singulis suam vim & legem naturalem semel indat ac stabiliat, vt immutabilis
ad terminum usque rerum omnium praeconstitutum permaneat",
(denn Gott) gibt den einzelnen Dingen ein für alle Mal seine Kraft
und das Naturgesetz ein; und er erhält dieses unverändert aufrecht
bis zum vorherbestimmten Ende aller Dinge.
Fernerhin hat Gott alles und jedes der Dienstbarkeit des Menschen unterworfen:
Alles Niedere dient harmonisch dem Höheren, alle Dinge besitzen "ad
se mutuo ... inclinatio & veluti amor quidam",
wechselhaft zu einander eine Neigung, gleichsam eine gewisse Liebe zueinander.
Um die Natur zu verstehen, ist die Lage
und die Struktur des CHAOS genau zu untersuchen: "Denn
was auch immer über das Wesen der Natur disputiert werden kann, es
hängt von ihrer Entstehung und der Ordnung der ersten Schöpfung
ab."
Die Lage:
Als erstes wurde zusammen mit dem CHAOS auch der Erde ein fester Punkt
in der Mitten des Leeren zugeordnet: und "dies
ist das bei weitem bestaunenswürdigste Wunder der ganzen Natur, das
jegliche Aufnahmefähigkeit und jeglichen Glauben übersteigt ...
In diesem einfach notwendigen Mittelpunkt verhält sich die Erde ruhig,
weil Gott ihr dort den Sitz zur Ruhe gab und ihm das Ende ihrer Bewegung
gemäß ihrer Schwere festsetzte (David:
Psalm
104;135,6)".
Die Struktur:
In diesem Mittelpunkt kommt die an sich gestaltlose,
eher flüssige denn fest Masse "im unausweichlichen
Gleichgewicht unter der shpärischen - kugelförmigen - Gestalt
zur Ruhe. Übrigens war auch eine derartige Gestalt allein mit der
Gestalt des Weltalls übereinstimmend, nachdem die höheren und
vollkommeneren Körper das Bestreben hatten, durch ihre Umkreisung
die Erde zu umgeben, um der Zeugung auf der Erde förderlich zu sein."
Statt wie es Sacrobosco und "andere
Mathematiker" tun, "die
sphärische Gestalt der Erde aufgrund einleuchtender Qualitäten"
darzulegen, ist es wichtiger, sie aus den Ursachen selbst abzuleiten:
"so geschieht
es nämlich auf solidem Wege durch die Wissenschaft":
Betrachten wir ein Beispiel
(sehen dabei aber von den geometrischen Schwächen
der nicht ganz korrekt perspektiv gezeichneten Beispielfigur ab) : |
vt si in cubo a. sit centrum,
b.c.d.e
sint extrema ...
"Schaut man nun von
a. nach b.
bzw.
d. - indem man Winkel b.a.d. betrachtet - , so liegt
c.
in der Mtte der Strecke b.d., und die Strecke
d.a
ist viel länger als die Strecke
c.a. bzw. e.a.
Die Materie, die sich längs der Strecke a.b. oder der
Strecke d.a. in Richtung auf den Mittelpunkt befindet, hat
daher viel mehr Gewicht als die längs der Strecke c.a.
oder e.a.. Das Gewicht längs a.d. wird also überwiegen.
Es wird daher in Richtung a. so lange fallen, bis c.,
d.
und e. im Gleichgewicht sind, d.h. sie werden gleichweit vom Mittelpunkt
entfernt stehen bleiben, weil die Materie flüssig und fließend
ist":
Necessario igitur chaos in aequilibrio sub figura
sphaerica constitit. |
I.II.4 De
natura & forma chai siue prima materia
nimmt Gerhard Mercator die Frage nach der Natur und der Gestalt
des CHAOS bzw. der "ersten Materie" ein weiteres Mal auf:
Für ihn steht fest:
"Das am
Anfang geschaffene CHAOS ist der materielle Ursprung aller Dinge gewesen,
die Gott geschaffen hat".
Über die Natur des IM ANFANG Geschaffenen haben
schon die "heidnischen Philosophen"
sich "hin- und hergewunden".
Aber es ist nur verständlich, daß sie bei diesem Hin- und Herwinden
mit Blindheit und Verblendung geschlagen waren: denn "ohne
Führung durch das Wort Gottes kann der menschliche Geist nichts, was
so entfernt von seinen Sinnen ist und göttlichen Ursprung hat, richtig
und sicher begreifen."
Moses hat die prima
materia - sie hat in den Meditationen
nichts mit der materia prima
des Aristoteles zu tun - mit "beredten
Worten 'Erde', 'Urflut', 'Abgrund'" genannt.
Der Ekklesiast (3,20) "nennt
sie APHAR, d.h. 'Schlamm'", und (17)
[vgl.Sir.17,1])
spricht er davon, daß auch alles wieder zu Schlamm zurückkehren
werde.
Mercator zitiert Empedokles, Anaxagoras
und auch Plotin, um die fehlerhaften Auffassungen der "heidnischen
Philosophen"über die Urmaterie zurückzuweisen.
Am wenigsten noch wich Anaxagoras von der Wahrheit ab. Daß
aber Gott die
prima materia
so schaffen konnte, wie er sie geschaffen hat, das bezeugt Johannes
der Täufer (Mt3;
Lk3).
Und dies alles tat Gott in seiner unendlichen Voraussicht: "Haec
enim illius infinita est providentia".Wie
hätte jemals ein Einklang der Dinge untereinander, jemals eine Ähnlichkeit
des Geschöpfes mit seinem Schöpfer entstehen können hätte
Gott nicht die Natur der ersten Materie so angelegt, daß schließlich
alles - aber auch alles - sich aus ihr heraus entwickeln würde?
Im Verlaufe der Auseinandersetzung mit den heidnischen
Philosophen kommt Gerhard Mercator auf die Bedeutung des IM ANFANG
qualifiziert Geschaffenen für den Menschen zu sprechen: Weil Gott
den Menschen als sein hervorragendes Werk nach seinem Ebenbilde schaffen
wollte, legte er schon in die qualifizierte prima
materia den Keim alles Späteren. "Wie
hätte der Mensch sich denn sonst in der Unähnlichkeit des Ruhmes
Gottes freuen können? Unähnliches verbindet sich nicht mit Unähnlichen,
sondern es schaudert vor ihm zurück... Wir ziehen also den Schluß,
daß das CHAOS die Urmaterie aller Dinge gewesen ist, die in ihrem
Wesen den Keim aller Qualitäten und Formen hatte."Augustinus
und Bonaventura hatten in diesem Zusammenhange - wie auch Mercator
es später noch tun wird - von den rationes
seminales, den in der prima
materia liegenden keimhaften Gründen,
gesprochen.
Weit lehnt sich der über die Natur und Gestalt
des CHAOS spekulierende Autor unseres Textes aus den Fenstern von
Ontologie und Metaphysik hinaus, wenn er sagt:
"Daher ist das Chaos in Bezug auf das,
was geschaffen worden ist und sich deshalb außerhalb von Gott befindet,
das Sein des Seienden, die Form der Formen, die Substanz der Substanzen
- nicht durch Wirken, sondern Wirksamkeit, im Innern, nicht im Äußeren.
Das Chaos bietet Materie und Beginn der Form, es ist für alles gleichsam
die Mutter, wahrhaft das von Gott zuerst Verfertigte ..."
"Est itaque chaos
in ijs quae creata sunt & extra Deum, ens entium, forma formarum, substantia
substantiarum, non ctu, sed potentia, eaque non extranea, sed intranea,
materiam & initium formae praestans, omnibus tanquam mater, verum opifice
Deo primum ..."
Kann man anders - seiner Zeit weit vorhergreifend
- Schöpfung und Evolution schöner aufeinander beziehen, Schöpfung
in Evolution ableitbar, begreifbar machen?
Ein solches Kapitel wahrhaft "christlicher Philosophie"
kann aber nur der alles selbst Inanspruchnehmende, das Subjekt dieser Gesinnung
und philosophischen Überzeugung, der Autor selbst, nicht ein
stellvertretender Vortragender aussagen.
Aber noch mehr:
Gerhard Mercator bringt seine Vorstellungen vom ersten Werk
der Schöpfung in eine unauflösliche Beziehung zum letzten, achten
Werk der Schöpfung: der Erschaffung des Menschen als imago Dei,
als Bild des DreiEinen Gottes:
"Cum igitur
homo ad imaginem Dei creatus sit, etiam reliquae creaturae, vt cum homine
cui seruiturae erant iustam haberent sympathiam, aliquid similitudinis
cum Deo in ipsa creatione nactae sunt."
"Da also der Mensch nach dem Ebenbilde Gottes
geschaffen worden ist, haben auch die übrigen Geschöpfe eine
gewisse Ähnlichkeit mit Gott in der Schöpfung selbst erlangt,
damit sie mit dem Menschen, dem sie dienen sollten, den richtigen Einklang
hatten."
"Ja sogar die erste
Materie, das CHAOS selbst, aus dem alles - auch der Mensch - geschaffen
ist, mußte irgendeine Ähnlichkeit mit ihrem Schöpfer haben."
Über die aus diesem Ansatz resultierende Fundamental-Analogie
zwischen dem DreiEinenGott und seinen Geschöpfen wagt erst heute wieder
die Dogmatik - wenn auch nur in Bezug auf den Menschen - nachzudenken:
"Wie Gottvater
das Prinzip der gesamten Gottheit ist, der in sich alles das verborgen
hat, was in seinem Sohn, dem Logos, tatkräftig ausgedrückt und
durch den Heiligen Geist ausgebreitet und den Geschöpfen mitgeteilt
worden ist, so hat auch das CHAOS alle Formen der Dinge, alle Substanzen
und Qualitäten, die samenbildende und wurzeltreibende Kraft verborgen
in seinem Inneren und in seinem tiefsten Wesen umschlossen gehabt."
Und ein solches Kapitel wahrhaft "christlicher Philosophie" kann nur der
alles selbst Inanspruchnehmende, das Subjekt dieser Gesinnung, der Autor,
nicht ein stellvertretender Vortragender aussagen.
Damit ist das Nachdenken Gerhard Mercators über das
Wesen und die Struktur des CHAOS aber noch keineswegs abgeschlossen:
I.II.5De
erroneo & vero idearum intellectu beginnt mit der Rechtfertigung
der so ausführlich geratenen metaphysischen (meta ta physika = dem
der Physik Nach[Vor]geordneten) - sozusagen systematisch wie historisch
contra
gentiles getätigten - Erörterungen - :
"Weil aufgrund
der verkehrten Vorstellung und Anschauung der Ideen viel Absurdes von den
Philosophen überliefert wird, ... , mußten wir die Bedingung
und die Natur der Ideen und Formen tiefer erforschen, damit wir uns nicht
auf eine falsche Grundlage stützen, uns nicht selbst täuschen
und nicht anstelle von Wissen bloße Meinungen ... aufstellten.
Und wenn man die Erschaffung der Dinge genau
betrachten will ... , muß man die Betrachtung [recht ausführlich
und eben] mit der ganze Schärfe und Kraft des
Geistes anstellen."
und mündet ein in den Gedanken,
"ex hac
quoque creaturam symphonia, siue natura & officio consensu & concordia,
sequitur sympathia, quae propter creationis scopum erat necessaria."
"daß aus dem abgeleiteten Einklang der Geschöpfe bzw.aus
der Einhelligkeit und Eintracht in Natur und Tätigkeit sich eine Übereinstimmung
ergibt, die wegen der Zielsetzung der Schöpfung notwendig war."
Immer wieder stellt sich in den weiteren Gedankengängen die Vorstellung
ein, daß alles um des Menschen willen da ist - Bonaventura
- , propter hominem, sagt Johannes Chrysostomos,
so daß Gerhard Mercator I.II.17
- in dem Kapitel Über die Erschaffung des
Menschen und der obersten und hauptsächlichen Bestimmung der Schöpfung
- sagen kann, daß "der
Mensch die vierte und vollkommenste Stufe der zu erschaffenden Dinge ist,
zu dessen Nutzen und und Dienst bisher [d.h. bis zur Erschaffung
des Menschen] alles erschaffen wurde."
"Soviel
[ist] also über die Materie und die Form, über
die Arten, ihre Aufgabe und ihre gegenseitige Sympathie [zu sagen].
...
Bei der Darstellung der Schöpfung der Zeit nach aber wird alles noch
deutlicher hervortreten und bewiesen werden."
Bevor Mercator aber die Werke des ersten Tages bespricht
(I.II.7),
äußert er sich
I.II.6
De
tempore inchoata creationis über den zeitlichen Beginn
der Schöpfung.
Dazu war es zuerst einmal erforderlich, die Begriffe von Raum und Zeit
in kritischer Auseinandersetzung mit den "Physikern"
freizulegen: Die Zeit ist die Dimension des Realen, der Raum die Dimension
des Realen und des Idealen.
Alsdann war aus der Schrift: Gen1,5,
Ex12,16,18,
Joh19,3,
Mt27,62,
Mk15,42,
Lk23,54,
Joh19,3
und Mk16 abzuleiten, daß der
Anfang der Schöpfung und des ersten natürlichen Tages mit der
Nacht gemacht worden ist.
Welchen Dienst hätte Atlas junior bei dieser Begründung
| Ablwitung aus der Schrift als Heide wohl erbringen können?
In den I.II.7
Opera
primi diei verweist Mercator zu Beginn noch einmal darauf,
daß das, was Gott IM ANFANG erschuf, jenes CHAOS gewesen ist, über
das er bis jetzt gesprochen hat.
Halten wir fest:
Bis hierher (I.II.7)
hat Gerhard Mercator im "Haupttext" nur zum 'Prolog' der Geschichte
des Schöpfungswerkes Stellung genommen:
Gen
1.1-2, - aber das IM ANFANG Geschaffene hat ihm einen langen Atem abgefordert
- und wird ihn immer wieder noch einmal beschäftigen.
Exkurs I |
Es ist wohl an der Zeit, kurz Gen1,1-31,
2,1-3
darzustellen, um später auf die Abweichungen
Mercators von
der Struktur dieses Textes de mundi genesin
aufmerksam
machen zu können.
Der Text zerfällt augenscheinlich in einen
Prolog 1,1-2 IM ANFANG
einen
Hauptteil 1,3-31
und einen
Epilog 2,1-3 Beschluß
Tag
|
Werke
|
Inhalt
|
Ausgestaltung
|
Werke
|
Tag
|
1.
|
1
|
Trennung von Licht und Finsternis
(Tag und Nacht)
3-5 |
Erschaffung der Sonne (Tag), des Mondes und der Sterne (Nacht)
14-19 |
5
|
4.
|
2.
|
2
|
Trennung von Wasser unter bzw. über einer Feste (dem Himmel)
6-8 |
Erschaffung der Vögel (Luft) und der Fische (Wasser)
20-23 |
6
|
5.
|
3.
|
3
4
|
Trennung von Wasser (Meer) und (fester) Erde
Hervorspießen der Pflanzen aus der Erde
9-13 |
Erschaffung der Tiere (Erde)
und des Menschen,
Segen und Auftrag
24-31 |
7
8
|
6.
|
Beschluß
und
Sabbat
Exkurs II |
In den letzten Jahren ist in der Mercatorforschung von wissenschaftshistorischer
Seite mit Verwunderung festgestellt worden, daß Mercator
auf die Auslegung des ersten Schöpfungstages - wenn man genauer hinsieht:
auf die Auslegung nur der beiden ersten Verse - genau so viel Raum verwendet
wie für die restlichen fünf Tage der Schöpfung - genauer:
wie für die Werke aller sechs Schöpfungstage.
Von theologischer Seite ist die These aufgestellt worden, daß
es einen Bruch in der Konzeption der Meditationen
nach dem Trinitätskapitel I.I.3
gebe: "Voran schickt er [Mercator] die
... Einleitung41, in der
er sich ganz besonders mit der göttlichen Trinität beschäftigt.
Im Haupttext [I.II.4ff.]
[?] und in [?]den Schlußkapiteln
ist [!]absolut nichts mehr davon [?von
der göttlichen DreiEinigkeit] zu finden".
Das erstere hat nun aber keineswegs etwas mit einer Vorliebe Mercators
für kosmogonische Fragen und Sachverhalte zu tun: Es hat damit zu
tun, daß vor aller Betrachtung der Tage-Werke und der ihnen eigenen
Physik die metaphysischen Prinzipien des gesamten (trinitarischen)
Schöpfungswerkes freizulegen und zu erörtern sind: "Man
muß beim CHAOS, der ersten Materie von allem, beginnen, wenn Form
und Materie einer Sache erkennbar werden sollen". Und diese 'Sache'
ist alles, was sich aus diesem IM ANFANG entwickelt, - der Materie, der
Form, der Struktur nach.
Der theologischen Seite ist vorzuhalten, daß sie einerseits
die metaphysische, vor allem aber die funktions- und strukturlogische Bedeutung
des trinitarischen Ansatzes bei Gerhard Mercator übersieht,
der sich von I.I.3ff.
- und nicht nur gewissermaßen 'noch einmal' in I.II.5
aufgenommen - zusammen mit den noch aufzuhellenden Strukuren von Vorsehung
und Erlösung bis in das letzte Kapitel I.II.19
hinzieht.
-
Die Erschaffung des Menschen (I.II.17),
der Sündenfall Adams (I.II.18)
und gerade das letzte, beschließende Kapitel (I.II.19)
über die Erlösung lassen sich ohne die Klammer der von Mercator
herauf-beschriebenen heilsökonomischen Absicht der Inkarnation - die
ohne die Klammer der Trinität überhaupt nicht möglich wäre
- nicht verstehen.
-
Und das unabhängig davon, daß die Kapitel I.II.17
und .19 vollständig von der Inquisition indiziert worden sind
Ebenso fehl geht die von wissenschaftshistorischer Seite aufgestellte
Formel, Mercator führe 'die Trinität
dogmatisch' in seine Meditationen
ein; daß der Locus Trinitatis ein locus dogmaticus
ist, ist mehr als trivial, aber seine Einführung in die Mediationen
ist darum keinewegs eine 'dogmatische'.
Anderserseits hat sie die Bemühungen Mercators nicht
erkannt, aus den Person-Beziehungen (den personalen Relationen in) der
Trinität über eine ausgedehnte Auslegung des CHAOS die prinzipiell
funktionale - nicht proportionale - Ähnlichkeit (similitudo relationalis
vel structuralis) zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf -
im Ganzen wie im entfalteten Einzelnen - herleitbar, verständlich
zu machen. Von einem "Bruch" in den Meditationen,
der gleichzeitig etwa zu einer "philologischen Archäologie" im Steinbruch
des Mercatorschen Werkes aufriefe, kann daher überhaupt keine
Rede sein, wie - z.B. - die folgenden Sätze Gerhard Mercators
in I.II.19 belegen: |
"Auf Grund dieses Vorherwissens
[Gott sah die Sünde des Menschen voraus] vollendete
Gott in seiner bewunderungswürdigen Vorsehung die Schöpfung aller
Dinge derart, daß er den Menschen - im Stand des Gehorsams wie in
dem des Falles - [in der Inkarnation seines Sohnes durch den Heiligen
Geist]
die Möglichkeit bewahrte, das ewige Leben
zu erlangen."
"Filium suum carnem assumpturum promisit, qui
pro peccato Adami ... satisfaceret, Deum patrem pacaret, & Spiritus
sancti auxilium iterum impetraret, quo promisso & credito eadem qua
prius intentione vitam aeternam assequeretur. "
"Gott versprach, sein Sohn werde Fleisch annehmen,
um für die Sünde Adams ... zu sühnen, Gott den Vater zu
versöhnen und den Beistand des Heiligen Geistes wiederzuerlangen,
damit jener [Adam=der Mensch] durch das ihm gegebene Versprechen mit derselben
Bestimmung wie vorher das ewige Leben erlange."
|
Jetzt erst legt sich Gerhard Mercator die Werke des ersten Tages
zurecht: Gen 1,3-5 : I.II.7
: Gott begann bald, die Elemente [aus
dem CHAOS] herauszuführen; zugleich zog er auch
die Materie des Himmels [aus dem CHAOS] heraus.
Und Gott sprach, es werde Licht! und es ward Licht.
"An diesem ersten Tag war der Himmel noch ohne
unterschiedliche Strukturen und hatte in jeder Beziehung nur eine einzige
Beschaffenheit und Natur. Deshalb hatte er auch zu Beginn nur eine einzige
Bewegung, welche Tag und Nacht unterschied.
Im übrigen ruhte die Schöpfung nicht:
die leuchtende Materie begann sich allmählich zu verschiedenen Sphären,
kugelförmigen Sternen und Planeten zusammenzuziehen. Und wie jedes
dieser Gebilde begann, durch die ihm eigene Natur vollendet und mit Bewegung
erfüllt zu werden,"
"ta etiam sua cuique sympathia & operatio
innata fuit",
"so wurden auch jedem der eigene Einklang, die eigene Form der Sympathie
und Wirksamkeit eingepflanzt".
Da alles seit Beginn der Schöpfung in einer stetigen Entwicklung
begriffen war, begann schon am ersten Tag der Schöpfung nach der Trennung
von Finsternis und Licht die Sammlung des Lichtes unter dem Horizont des
Paradieses, und durch die Drehung der Urmaterie um die Weltenpole folgte
dem Abend des Schöpfungstages der lichtvolle Morgen - keinesfalls
aber sonnenbeschienen, denn vollendet wurde die Entwicklung der Sonne als
Gestirn erst am vierten Schöpfungstag: ("So
wurde [etwa auch] die Absonderung des Wassers
am ersten Tag begonnen, aber erst am dritten vollendet." [Siehe
oben
Werk 3.3!] )
"Nach ungefähr zehn Schöpfungsstunden
- denn sie [die Sonne]
begann sich im Zeichen des Löwen zusamenzuziehen - ... dürfte
die Sonne der Welt das Licht gegeben haben, weil sie darauf nach vierzehn
Stunden infolge der täglichen Bewegung des Himmels unterging."
Nachdem das Licht in die Welt gekommen war, war der erste Tag vollendet.
Am Ende des ersten Schöpfungstages hebt Gerhard Mercator
wiederum die von ihn erkannte und vorstehend ausgedehnt beschriebene metaphysische
Bedeutung des CHAOS, das verum opifice Deo primum,
hervor:
"Nachdem Gott das Urbild von allem im
Geiste selbst verfertigt hatte, konnte er als erste von allem nicht das
Licht erschaffen, sondern er ließ die Materie voraufgehen, aus der
jenes auszuformen war."
Und wie geschieht diese "Umformung"?
Ganz allgemein - in der Form eines Evolutionsprinzips
- ausformuliert wie folgt:
"Ita creatio praecedit, creationem
[chai] subsequitur naturalis operatio
[chai], & haec duo deinde in reliquis
Dei operibus concurrunt."
So schreitet die Schöpfung voran: Der
Schöpfung [des CHAOS] folgt die
Tätigkeit der Natur [des CHAOS] auf dem Fuß, und beide
wirken dann gemeinsam bei den übrigen Werken Gottes.
In seinen Oeuvres III, 142
(1925), schreibt Teilhard de Chardin:
"Der christliche Transformist denkt sich
Gottes Schöpfungswirken ja nicht mehr so, als dränge sich Gott
in seinem Wirken zwischen die schon bestehenden Dinge ein, sondern so,
daß er die aufeinanderfolgenden Stufen seines Werkes aus dem Schoß
der Dinge geboren werden läßt."
Ohne Zweifel: Für Gerhard Mercator ist
das CHAOS der 'Schoß der Dinge', verum
opifice Deo primum.
In La vision du Passé, Oeuvres
III,
39 (1921), hatte Teilhard de Chardin
schon vorher gesagt:
"Gott 'macht' weniger die Dinge, als
daß er 'macht', daß sie sich 'machen'."
und I.II.8
De
Caelo : Secundus dies incipit wird
Gerhard Mercator sagen:
"Dies ist die unbegreifliche Weisheit Gottes, daß er
aus einem einzigen ZuerstErschaffenen die Natur so formt und sie gemäß
[seiner,] der universalen Idee so einrichtet, daß er sie [d.h. alle
nachfolgenden Dinge im Voranschreiten der Werke] eher nachzuahmen als zu
erschaffen und einzurichten scheint."
"Atque haec est incomprehensibilis sapientia
Dei, quod ex vno primum creato, ita naturam format & instituit iuxta
ideam vniuersalem, ut non minus eam imitari, quam condere & statuere
videatur. ...
Quantam oportet naturae ad creatorem suum esse
affinitatem!"
"Wie groß muß die Verwandschaft der
Natur mit ihrem Schöpfer sein!"
|