Diese Konzepte entwickeln sich
- im wahrsten Sinne des Wortes (transitiv und reflexiv): 'sie entwickeln sich' :: 'sie entwirren sich ' :: 'sie entfalten sich aus einem Keim zur Reife' -vom ersten im Jahre 1569 - in der Chronologie - bis zu den offenbar letzten in der Praefatio wie im zweiten Vivianus-Brief des Jahres 1593.
Für fünf Darstellungen zeichnet Gerhard Mercator selbst verantwortlich, zwei Interpretationen liefern der Freund und die Familie nach seinem Tode - vorgelegt 1595.
Stellen wir die betreffenden Texte zuerst einmal zusammen (vgl. jetzt
auch Milz98):
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in der
Chronologia |
an Ludger Heresbach | in der Widmung an Wilhelm II. in der Gallia-Ausgabe | in der Praefatio | an Vivianus (II) | von Walter Ghim | von Johannes Mercator |
. | 1
... restat difficillima pars vidilicet ... |
2
exigebat operis ... ordo ut |
3
sic totum mundum tanquam in speculo proponam |
4
tomum primum ... Atlantem ... speculantem introducturus sum |
5
(a) Gallia pars (b) Atlas: ... huic operi titulum imposuit: Atlas sive cosmographicae speculationis libri quinque |
.. |
6
prima pars genesim |
7
historica totius conditi orbis et dispositionis narratio |
9
primum de mundi fabrica et distributione partium in universum |
10
... ita a creatione incipiens partes eius [cosmi] omnes, quatenus methodica ratio postulat, iuxta creationis ordinem enumerabo et physice contemplabor |
11
de fabrica mundi |
12
in primo descripsit opificium et fabricam mundi |
13
ordine servato mundi commonstrat laus est prima creatoris, deinde creata locat |
14
secunda coelestia rerum |
15
de planetarum et stellarum motibus |
16
deinde coelestium corporum ordine et motu |
17
deinde suo ordine tractabo caelestia |
18
de astronomia |
19
in secundo astronomica prosequi inceperat, sed non finivit |
20
astrorum voluit post haec ostendere motus et planetarum, quo vaga turba ruat |
. | 21
de astrologia aliisque ad mundi contemplationem spectantibus disserenda |
22
tertio de eorundem natura, radiatione et operantium conflexu ad veriorem astrologiam inquirendam |
23
mox astromantica quae ad diuinationes ex astris pertinent |
24
de astromantia |
25
in tertio quin astrologica explicaturus erat |
26
etiam voluit stellarum pendere vires, quatenus et radiis, inferiora doment |
. | Er erläutert (0) sein Kartenwerk: es wird sich wohl auf 120 Karten belaufen; die sonstigen Punkte fallen im Brief aus. | 27
quarto de elementis |
28
quarto elementaria |
29
de elementaria |
30
in quarto de creatione elementorum, de motu solis et lunae, item de situ et ordine planetarum tractratum meditabatur |
31
hinc elementorum perquirere causas, ex quibus haec mundi machina structa viget |
. | . | 32
quinto de totius terrae descriptione ET |
33
denique geographica |
34
denique geographia |
35
quintum geographicae totius terrarum orbis destinaverat |
. |
36
tertia terrae marisque descriptio Geographicum opus concepi tribus partibus constans: in qua prima recentior terrarum et regnorum pictura continebatur in secunda Ptolemei tabulae ad illius mentem quantum fieri poterit restitutae in tertia vetus Geographia castigata et ampliata |
. | . | . | . | . | 37
Adde Geographiae veterisque novaeque tabellas, quas vastum voluit claudere scriptor opus |
38
quarta pars Genealogicon |
. | 39
[quinto] de regnorum descriptione |
. | . | . | . |
40
quinque Chronologia |
. | 41
sexto de principium a condito mundo genealogiis ad emigrationes gentium et primas terrarum habitationes ... indagandas tractarem |
.. | . | . | . |
. | . | . | . | . | . | sed gravis impedit morbus |
Man erkennt deutlich, wie sich das erste Konzept im Laufe der Zeit entfaltet, wie andere Schwerpunkte gesetzt werden, wie sich mindestens die ersten fünf Bücher der geplanten Kosmographie/Geographie zum "Atlas sive ... tomus primus" verdichten, aber eigentlich alle der Literatur zuzurechnenden Texte
- bis auf das erste Buch des ersten Bandes: tomus I liber1 = cosmographicae meditationes de fabrica mundi, die Kosmographischen Gedanken : über die Mischkonstruktion von liber 1 wird noch zu handeln sein -überhaupt nicht ausgeführt werden,
- falls man nicht die erbrachten Werke oder die hier und da vorkommenden Bruchstücke seiner kosmographischen Vorstellungen / Entwürfe an ihre Stelle setzt.
Es scheint also am Ende so sein, als träfe
das auf Atlas senior, den Vater des späteren Titelhelden, Atlas
junior, in der Antike gemünzte Sprichwort auf Gerhard Mercator
selbst
zu:
Atlas Coelum
Er handelt(e) wie ein Atlas, allein er bürdete sich den Himmel
auf.
Das aber heißt:
daß es Gerhard Mercator überhaupt nicht gelungen ist, die frühe Projektion seines Lebens in all ihren Facetten auszuführen.Das Motto seines Lebens, nur das Beste zu leisten, zu liefern, gelten zu lassen, und das von ihm so gefürchtete Geschrei der Böotier - der vollakademischen Mathematiker, Astronomen, Historiker und Theologen - haben nur ein einziges seiner literarisch-wissenschaftlichen Projekte zur Kosmographie - wenngleich das für ihn wichtigste - , das Buch seiner kosmologisch-theologischen Meditationen zur Reife kommen lassen.
Dieses Buch wurde von ihm dabei aber keineswegs als reine cosmopoeia (1563 vorgestellt) oder als "klassisches" Hexaëmeron konzipiert, sondern notwendigerweise als eine | die Frucht seiner lebenslangen Bemühungen um eine "Philosopie Christi" auf dem Standpunkt des Schöpfungsoptimismus um erlösungstheologische Gedanken über Vorsehung (providentia) und Rechtfertigung (redemptio) erweitert.
Ähnlich wie im VIVIANUS II von 1593 streute er seine abschließende Absicht schon in den Heresbach-Brief von 1583 ein:Zu einer Nahezu-Reife ist wenigstens das Kartenwerk bis 1595 gediehen - einige Länderkarten standen bei den ersten Editionen noch aus.
"Caeterum his [das Kartenwerk] absolutis, restat difficillima totius mei instituti pars";
wenn schließlich das Kartenwerk abgeschlossen vorliegt, dann steht noch der schwierigste Teil dessen, was ich mir vorgenommen habe, aus;
Unter anderem - dem oben angeführten in 7, 15 und 21 - werde er von dem schreiben, was bei der forschenden Betrachtung der Welt noch alles auszumachen ist, von dem vieles zu bewundern sein wird, was aber bisher der Beobachtung [anderer] entgangen ist:
"aliisque ad mundi contemplationem spectantibus disserenda erunt, quae multis admiranda videbuntur, quaeque hactenus observata non sunt".
Der Vorsätze genug zeigt er an; und er hält schon hier dafür, daß
"haec, tametsi postrema operae pars sit, potissima tamen operis pars, adeoque principium et caput totius erit, quod ante omnia paratum oportuit",
das, was - obzwar - der allerletzte [zu verfertigende] Teil der Werke [d.h. nach den Kartenwerken], dennoch der bedeutsamste Teil des [Gesamt]Werkes ist; ja, es wird der Ausgangspunkt und gewissermaßen die Hauptsache des Ganzen werden und gehört nach Billigkeit allem [anderen] vorgesetzt zu werden,
"nisi prius vitae subsidia postea philosophiam necessitas postulasset",
wenn nicht die Erfordernisse der Lebensumstände dem Philosopieren mit Notwendigkeit voran zu gehen hätten.Das Buch über die Astronomie sollte wohl mehr bringen als Bartholomäus 1563 aus den Vorträgen des Vaters zum Breves in Sphaeram zusammengetragen hatte,- aber hier - im Breves - liegt wenigstens ein vollendetes Werk(chen) vor uns.
Da aber ein zeitgenössisches astronomisches Werk, das mehr als eine Nachschrift der "klassischen" Darstellung des Johannes Sacrobosco sein will - wählen wir nur das des Copernicus oder das popularisierte des Peter Apian als Beispiele aus - , nicht gerade allein mit Arithmetik - d.h. elementarer Mathematik - auskommt, sehe ich in der Konzeption dieses Buches den Atlas coelum, den letztenendes sich überfordernden Gerhard Mercator am Werke - sollte uns nicht wesentlich Neues über seine mathematischen Kenntnisse bekannt werden
Die Praefatio ist gewiß nach sehr viel längerer Vorbereitung gründlicher überlegt und nach "langen nächtlichen Studien" ausformuliert als der in körperlicher und seelischer Not - geradezu in Verzweiflung - verfaßte 'abschließende' "zweite" Vivianus-Brief .
Wie heißt es im Atlas-Vorwort:
. auf daß alles - von welch' rudimentärem Charakter es [bei mir] auch noch sei - den Leser zu 'höheren Spekulationen' = erhabeneren Betrachtungen führen möge, "et lectorem ad altiores speculationes ducere possint".
Nein; die Milz98 aufgeworfene Korrektur - gewissermaßen 'allerletzter Hand' - des inhaltlichen wie des formalen Sinnes der Kosmographie Gerhard Mercator scheint mir nicht stattgefunden zu haben: Eine Analyse der Kosmographischen Gedanken belegt diesen Anschein durchgehend.Offenbar kursierte aber diese Projektbeschreibung in der Familie Mercator als Ausgabe "letzter Hand". Und es bleibt eine offene Frage, warum Rumold bzw. Johannes die Praefatio in Atlantem ?nicht zur Kenntnis bzw. nicht ernst genommen haben. Noch heute aber wird in der Forschung der Titel14 von 1595 Atlas sive cosmographicae meditationes de fabrica mundi et fabricati figuranicht als eine "Notlösung" Rumolds für die (schnellen) Publikationen15 des Jahres 1595 verstanden, - kaum ein halbes Jahr nach dem Tode des Vaters. Hätte die Familie oder auch nur Rumold die Gesamtkonzeption16 des Vaters verstanden, man hätte den Titel weitgreifender fassen müssen - etwa so : AtlasAus der Praefatio läßt sich ableiten, daß der alleinige Bezug des Atlas-Titels auf die cosmographicae speculationis liber quinque - so Walter Ghim in der Vita - zu kurz greift: Atlas junior sollte - dem Konzept nach - die gesamte Kosmographie Gerhard Mercators titeln und nicht nur die cosmographicae meditationes, die im Grunde ein
Vom zweiten Teil - mit dem die potentiellen Verkäufer angesprochen werden mußten - lagen aktuell die Karten der Neuen Geographie bis auf wenige Ausnahmen umfänglich vor. Gerade diese Karten würden die Bedeutung des herzustellenden Konvoluts ausmachen. Da seit langem abzusehen war, daß die noch ausstehenden Bände des Kosmographie-Konzeptes keinem Abschluß zugeführt werden könnten, arbeitete die Kartographische Anstalt Mercator auch - ?seit langem - mit Hochdruck daran, die genealogischen Exzerpte des Firmeninmhabers dort zu plazieren, wo sie - systematisch betrachtet - auch hingehörten: in das Kartenwerk an/in jeweils geeigneter Stelle/Karte. (Man vergleiche die entsprechenden Texte in den Hondius-Atlanten 1606ff.) Die "Alte Geographie, bereinigt und vermehrt" sollte wohl mehr als eine "bereinigte und vermehrte" Neuauflage der 8 Bücher der Geographie des Ptolemäus sein: In der zweiten Auflage seines Ptolemäus fügte er den Karten der ersten Auflage ja nur die von Willibald Pirckheimer redigierte Fassung der Geographie hinzu - nunmehr von Arnold Mylius besorgt. An einer - allein von ihm stammenden - zweiten Auflage der Chronologie hat er - ausweislich des Versteigerungskataloges - offenbar immer wieder gearbeitet. Nimmt man Alles in Allem, so hat die Kartographische Anstalt Mercator
vom Atlas die Teile I,
libri 2-5, II, liber 2, pars 2 und
liber 3 nicht (mehr) herausgeben können: Krankheit und Tod des Firmeninhabers
standen einem Abschluß der Kosmographie
unter dem Titel ATLAS entgegen.
IN ATLANTEM I
weitgehend unverstanden geblieben ist.
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