Mehrfach unterschieden also tritt uns Atlas in der sagenumwobenen Geschichte entgegen:
Ebenso tritt Atla(n)s in den mittelalterlichen kirchlichen Raum ein. So findet man z.B. den Titanen Atla(n)s in ein romanisches Figuren-Halb-Kapitell im geschlossenen südlichen Kreuzgang des Klosters Ebstorf (13./14.Jh.) eingearbeitet,
10 - numehr weder den Himmel noch die Erde, sondern die Last eines Kreuzbogens mit seinen Händen auffangend. Atlas vertritt im Kirchenraum - als mythologische Figur - entweder den sündigen Menschen, der unter Ächzen und Stöhnen für seine Sünden büßt oder auch die ganze noch unerlöste heidnische Welt.
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Das älteste Kunstdenkmal (etwa 200 v.Chr.) zum Atlas-Mythos scheint - bis heute - im Farnese-Atlas aus Neapel11 vorzuliegen. Aber schon in einem antiken Spiegel - Herakles und Atlas nach Euripides' Herakles darstellend - und dann überall, wo vom Titanen-Mythos des himmeltragenden Atlas die Rede ist, trifft man ihn: |
Unter mächtigem Zwang trägt Atlas den riesigen HimmelEuripides singt im Herakles V 403ff:
Fern an den Grenzen der Welt bei singenden Hesperiden
Aufrecht; er stützt ihn mit dem Haupt und nie ermüdenden Armen.
Dieses Schicksal nämlich beschied ihm Zeus der Berater."
THEOGONIE 517
"Unter des Himmels Sitz
Mitten die Arme gedrückt
Zu Atlas' Haus gekommen
Und hielt der Götter
Sternäugige Wohnung mit Manneskraft."
Und Herodot erzählt im IV.Buch seiner Historien 184/185 vom atlantischen Gebirge und seinen Bewohner:
"... Nach weiteren zehn Tagereisen findet man einen neuen Salzhügel und eine Quelle, um die ebenfalls Menschen wohnen. An dieses Salzgebiet grenzt ein Gebirge mit dem Namen 'Atlas'. Es ist schmal und ganz kreisförmig und soll so hoch sein, daß man seine Gipfel gar nicht sehen kann. Niemals weichen die Wolken von ihnen, weder im Sommer noch im Winter. Die Einheimischen sagen, dieses Gebirge sei die Säule des Himmels. Nach diesem Gebirge werden auch die Menschen benannt; sie heißen nämlich 'Atlanteer'. Man erzählt, sie äßen keine lebenden Wesen und hätten keine Träume. Bis zu diesen Atlanteern kann ich die Namen der Stämme nennen, die auf dem Höhenzug wohnen, darüber hinaus nicht mehr. Diese Hügelkette reicht bis zu den Säulen des Herakles, ja noch weiter hinaus."In den auf uns gekommenen Kunstdenkmälern finden wir sowohl den Titanen, der unter der Himmelslast des Zeus stöhnt und ächzt, wie auch den, der mit euripideischem Stolz den Himmel trägt. Ein solcher - euripideischer - ist offenbar der Farnese-Atlas, der die Himmelskugel des Hipparchos trägt:
Am Atlas-Farnese - genauer an Fotografien nach einem Gipsabdruck - sind von Thiele Vermessungen11 angestellt worden, die einen Zusammenhang zwischen der Sphäre des Aratos und der Sphäre seines Kritikers Hipparchos herstellen ließen.
Uns interessiert hier nur die Dastellung des Titanen, der mit stolzer Manneskraft das Himmelsgewölbe, die Sphäre (sjaira) des Hipparchos trägt. In der Manilius-Ausgabe von Bentley, 1739, finden wir eine plane Darstellung der Sphäre in Kupfer:
So wie z.B. Joachim Rheticus in humanistisch hochlobender Weise z.B. den Gemma Frisius als einen "alter Copernicus" - einen zweiten Copernicus - rühmte, oder Abraham Ortelius später Gerhard Mercator als "den Ptolemäus des Jahrhunderts" auslobte, so sparte Erasmus Reinhold 1551 in seinen "Preußischen Tafeln" nicht doppelten Ruhm und doppelte Auszeichnung für Copernicus aus, als er davon sprach, daß "diesem Manne wohl der Name eines Ptolemäus oder gar eines Atlas beigelegt werden könne".
In diesen Preußischen Tafeln könnte Gerhard Mercator, der ein Exemplar des Jahres 1551 sein Eigen nannte, zum ersten Mal auf den auszeichnenden Namen 'Atlas' gestoßen sein. Daß Reinhold gewiß an den Titanen - Atlas senior - gedacht hat, ändert nichts daran, daß Gerhard Mercator schließlich in den nächtlichen Stunden seines Studiums der historischen Literatur - von denen Rumold Mercator und Walter Ghim berichten - bei Eusebius Pamphylus / Diodor seinen Atlas finden konnte.
Als Titanen hat er ihn 1570ff womöglich
auch auf dem Titelblatt des
Antonio Lafreri (1512-1577)
gefunden, der bis 1570 Landkarten sammelte
und zu einem Konvolut zusammenband. Aber Lafreris Titel-Atlas trägt
nicht den Himmel, er hält auch nicht die Spindel des Weltalls,
um damit die Erde in Ruhe zu halten, ihn zwingt die Last der geschulterten
Erde
in die Kniee - titelt er doch eine Sammlung von Erd- und Länderkarten.
Beide Figuren verweisen auf die Kenntnis des Lafreri-Konvoluts
durch Gerhard Mercator: Ptolemäus und Marinos
titeln die erste Ptolemäus-Ausgabe
von 1578 bzw. den Atlantis
Pars Altera des Kartenkonvoluts von 1595
genauso wie den Kartenkonvolut des Lafreri von 1570.
Während Gerhard Mercator die Köpfe spiegelbildlich12
zu den Köpfen im Lafreri-Titel zeichnet - die Ähnlichkeit
der Gesichtszüge scheint unverkennbar - , deutet er die Zusammengehörigkeit
beider Geographen anders und großartiger als Lafreri:
Im Lafreri-Bild stehen Ptolemäus und Marinus voneinder abgewandt auf Säulenstüpfen: jeder beschäftigt sich mit dem ihn auszeichnenden Handwerkszeug: Ptolemäus mit dem (hier: unhistorischen) Kreuzstab (später Jakobsstab genannt) und dem Zirkel; Marinus mit dem Astrolabium. |
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