Lage der Sonne
Die nichts - wie ausgeführt - mit einer astronomischen Hypothese oder einer Stellungnahme zu Aristoteles oder Copernicus von seiten Gerhard Mercators oder mit einer Übernahme des Weltbildes Tychos zu tun hat.

ein einziger Körper
Der Text lehnt sich an das "Astronomicon" des Marcus Manilius, Buch 2, Vers 456ff. an:
  ... 
  Aries caput est ante omnia princeps
  Sortitus, censusque sui pulcherrima colla
  Taurus, et in Geminis aequali brachia sorte
  Scribuntur connexa humeris, pectusque locatum
  Sub cancro est, laterum regnum scapulaeque Leonis:
  Virginis in propriam descendunt ilia sortem,
  Libra regit clunes, et scorpius inguine gaudet,
  Centauro femora accedunt, Capricornus utrisque
  Imperat in genibus, crurum fundentis aquarii
  Arbitrium est, Piscesque pedum sibi jura reposcunt.


Eine andere Deutung gibt Hermes Trismegistos in seiner iatromathematischen Schrift: Peri katakliseos
Dem Widder ist das Haupt geweiht, den Planeten die Sinne:
 

der Sonne das rechte Auge
dem Mond das linke Auge
dem Saturm das Gehör
dem Jupiter das Gehirn
dem Mars das Blut
der Venus der Geschmack und der Geruch
dem Merkur die Zunge und der Schlund

Aus dem Nachlaß Regiomontans hat Joachim Camerius diese Schrift unter dem Titel Astrologica, Nürnberg 1532 bei Petreius herausgegeben; Johannes Stadius stellte seinen Ephemeriden1560, Köln apud Haeredes Arnoldi Birckmanni, eine lateinische Übersetzung voraus, die er schon 1555 in Paris veröffentlicht hatte: b4.r -c4.r: Hermetis Trismegisti Iatromathematica (hoc est medicinae cum mathematica coniunctio) ad Ammonem Aegyptium conscripta.



Stoikern
Und auch von Cicero. De natura deorum 2, 37 heißt es: Ipse autem homo ortus est ad mundum contemplandum et imitandum - nullo modo perfectus, sed quaedam particula perfecti, der Mensch ist aber erschaffen, um das Weltall zu betrachten und nachzuahmen [alle anderen Dinge sind für andere Zwecke entstanden], gewiß: nicht als vollkommenes Wesen, aber doch als ein kleiner Teil des Vollkommenen.

Mittelalter
So enthält z.B. das Liber Divinorum Operum, das Buch der göttlichen Werke, der Hildegard von Bingen (1098-1179) eine Fülle von Aussagen über den Kosmos, den Menschen und die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Makrokosmos (Weltall) und dem Mikrokosmos (Mensch).

vertreten
Vgl. z.B. Kosmographische Gedanken, Anmerkung  II.12: 9.

Analogie


Körper


ägyptische Reihenfolge
Timaios: Erde-Mond-Sonne-Venus-Merkur-Mars-Jupiter-Saturn: 
Plato hat sich in diesem Punkte ausnahmsweise nicht nach den Pythagoräern gerichtet. (Van der Waerden: Astronomie 52) 
  • Plato (5.Jh.v.Chr.) stellt sämtliche Planeten "über“ die Sphäre der Sonne, der alten ägyptischen Lehre darin folgend. 
  • Cicero (1.Jh.v.Chr.) schreibt dagegen in einer Zeit, in der die chaldäische Lehre von der Stellung der Sonne "in der Mitte des Weltalls“ sich durchgesetzt hatte. 
Für Ptolemäus (1.Jh.n.Chr.) - bis hinauf zu Peter Apian (und d.h. also auch: für Gemma Frisius) und noch für den Gerhard Mercator der Breves in Sphaeram (1563) - gilt die - lineare - Reihenfolge: 
Erde-Mond-Merkur-Venus-Sonne-Mars-Jupiter-Saturn.


göttliche Funktion der Sonne
Die Erkenntnis, daß die übermächtige Sonne "irgendwie“ alle Planeten "anführt“ und ihren Lauf  beherrscht, führte zwischen 200 v.Chr. und 200 n.Chr. dazu, das alle Planeten beherrschende göttliche Gestirn in die "Mitte“ der Reihe der Planeten - inklusive Mond - zu plazieren, Merkur und Venus also unter die Sphäre der Sonne zu setzen. Die Sonne wurde damit - im übertragenen Sinne - die "Mitte“ des Weltalls (medium coeli) : wie das Herz im Menschen - im übertragenen Sinn - : nur "ein wenig höher“ als seine "wahre“ Mitte der Welt (Erde = Nabel = medium mundi).

Immerhin blieb die "wahre“ Mitte des Weltalls, ihr Nabel zu sein, noch für anderthalbtausend Jahre der Erde beschieden.

Eine Bestätigung für diese Annahmen lieferte schon im 400.Jh.n.Chr.Villius Firmicus Maternus (nach 340), der als junger Mann - "noch Heide“ - diejenigen Werke antiker Schriftsteller zusammenstellte, die sich mit astrologisch-astronomischen Fragen beschäftigten. Aratos und Cicero befanden sich genau so gut in dieser Sammlung, die er als libri VIII matheseos titelte, wie Manilius, Germanicus, Avienus, Theon (der Alexandriner) oder Proklos: Julii Firmici Astronomicorum libri octo integri, & emendati, ex Scythicis oris ad nos nuper allati. ... Venetiis cura et diligentia Aldi Romani mense Octobr. 1499, fol. I,4 schreibt Firmicus - Ciceros Worte förmlich wiederholend - : Du beste und größte Sonne, die du die mittlere Sphäre des Himmels innehast, Seele [mens] und ordnendes Prinzip der Welt, Anführer aller Gestirne und Fürst, die du das Feuer der übrigen feurigen Sterne mit der Herrschaft deines Lichtes unterhältst.



Abstand
Nach heutigen Vorstellungen liegt der maximale Abstand Venus-Sonne zwischen 45° und 48°: nie mehr als zwei Sternzeichen (60°) ist für einen Nicht-Astronomen dann als eine "gute“, wenngleich grobe Annäherung anzusehen, so wie für den Merkur nie mehr als ein Sternzeichen (30°) als eine erste Näherung für 24° bis 20° Entfernung (von der mittleren Sonne) angesehen werden kann.

Entscheidung
Zwei durchaus unterschiedliche Vorstellungen können in diesem Zusammenhang vertreten werden: eine, 
die der dritten von Chalcidius in seinem Timaios-Kommentar ähnelt (wenngleich dann zu berücksichtigen ist, daß schon bei Balbus - erst recht beim Cicero des Scipio-Traumes - die Sonne schon im "Herzen des Planetensystems“ ansässig ist), 
und eine zweite, 
die der zweiten von Chalcidius (Philo und Theon) entspricht, die den drei Epizykeln (von Sonne, Merkur und Venus) den Mittelpunkt des Sonnen-Epizykels als Zentrum zuweist.

Balbus I und ?Macrobius werden erst von Galilei u.A. widerlegt.
.
In seinem „Sternenboten“ , Siderius Nuncius, 1610, schreibt Galilei

Als ich die Venus mit dem Gerät [seinem Himmelsfernrohr] zu beobachten anfing, war sie rundlich und sehr klein. Tag für Tag schwoll sie an, bewahrte aber ihre runde Form, bis sie schließlich - in sehr großer Entfernung von der Sonne - auf ihrer östlichen Seite abzunehmen begann und in wenigen Tagen zu einem Halbkreis schrumpfte. Diese Gestalt behielt sie mehrere Tage bei, wurde dabei jedoch zunehmend größer. Derzeit sieht sie wie eine Sichel aus, und abends werden ihre kleinen Hörner [die Sichelenden des Abendsterns] immer schmaler, bis sie ganz verschwindet. Doch wenn sie dann morgens wiederkehrt, erscheint sie mit sehr dünnen Hörnern, wendet sich erneut von der Sonne ab und wächst in größter Entfernung zum Halbkreis.
Da Galilei seine Beobachtungen vom Oktober 1610 bis zum Dezember 1610 zuerst in verschlüsselter Form mitteilte, sie dann aber am 30.12.1610 veröffentlichte, konnte der Jesuit Maelcote in seinem Festvortrag in Rom im März 1611 in Anwesenheit Galileis erwähnen und ausführen, daß und wie er und seine Ordensgenossen zeitgleich mit Galilei den Phasenwechsel der Venus ebenfalls beobachtet hatten. Auch Simon Marius (1573-1624), mathematicus et medicus und fürstlicher Hofastronom in Ansbach, hatte im Dezember 1610 die Venus "mondförmig“ gesehen. 
  • Die Fernrohre von Lippershey und Galilei hatten es möglich gemacht 


Traum
Dort heißt es 4,2: E quibus [von den umlaufenden sieben Sternen] unum globum possidet illa quam in terris Saturniam nominant, deinde est hominum generi prosperus et salutaris ille fulgor qui dicitur Iovis, tum rutilus horribislisque terris quem Martium dicitis, deinde de septem mediam fere regionem sol obtinet, dux et princeps et moderator luminum reliquorum, mens mundi et temperatio, tanta magnitudine ut cuncta sua luce lustret et compleat. Hunc ut comites consequuntur Venus alter, alter Mercurii cursus, in infimoque orbe luna radiis solis accensa convertitur.
.
[Fixsterne-]Saturn-Jupiter-Mars-Sonne-Venus-Merkur-Mond-Erde
        1            2            3        4         5       6          7          8      9
           gemäß de natura deorum
.
Unterhalb des Mondes existiert nur das sterblich-Irdische; supra lunam sunt aeterna omnia, oberhalb des Mondes existieren alle ewige Dinge. 
Die Erde ist unbewegt, an einem Ort verharrend und zuunterst (in der neunten Sphäre), gehalten in der eigenen Schwere, aber eben medium mundi, Mitte der Welt. (4,Ende;5,2)


Auseinandersetzung
 Theonis Smyrnaei, Platonici, eorum quae in mathematicis ad Platonicam lectionem utilia sunt, expositio.


festgesetzten Grenzen
1,20,4f: [sol] ... moderator reliquorum dicitur, quia ipse cursus eorum recursursque certa spatii definitione moderatur. Nam certa spatii definitio est ad quam cum una quaeque erratica stella recedens a sole pervenerit, tamquam ultra prohibeatur accedere, agi retro videtur et rursus, cum certam partem rededendo contigerit, ad directi cursus consueta revocatur. Ita solis vis et potestas motus reliquorum luminum constituta dimensione moderatur.


die Seele der Welt
1,20,7f: Solem autem ignis aetherii fontem dictum esse retullimus, hoc est ergo sol in aethere quod in animali cor, cuius ista natura est, ne umquam cesset a motu, aut brevis eius quocumque casu ab agitatione cessatio mox animal interimat. Haec de eo quod mundi mentem vocavit.

Kommentar
72: scilicet ut inter planetas sol medius locatus cordis, immo vitalium omnium praestantiam obtinere intelligarur. Consentit his Alexander Milesius ...
100: Illud vero, quod a meditullio porrecta anima esse dicitur, quidam dici sic putant, ut non tamquam a medietate totius corporis facta dimensione porrecta sit, sed ex ea parte membrorum vitalium, in quibus pontificium vivendi situm est. ideoque vitalia nuncupantur. Non ergo a medietate corporis, quae terra est, sed a regione vitalium, id est a sole animae vigorem infusum esse mundano corpori potius intelligendum pronuntiant. siquidem terra immobilis, sol vero semper in motu. Itemque uteri medietas immobilis, cordis semper in motu, quando etiam recenter extinctorum animalium corda superstites etiam tunc motus agant. ideoque solem cordis obtinere rationem et vitalia mundi totius in hoc igne posita esse dicunt. (Vorbereitend 99.)
Der Text des Timaios-Kommentars "lebt" förmlich von der Analogie beider "Körper“: So ist festzuhalten, daß die Seele der Welt nicht von ihrem Zentrum, der unbewegten Erde, sondern von der Mitte der Belebung (a regione vitalium), der stets bewegten Sonne, ausgeht. Der Bauch - die Mitte des Körpers der belebten Wesen (zwa) - ist stets in Ruhe, der vitale Mittelpunkt dagegen, das Herz ist bei ihnen dauernd in Bewegung - was man übrigens auch daran erkennt, daß bei "frischgetöteten" Tieren das Herz noch eine Weile schlägt, wenn man es dem Körper entnommen hat.
Ähnliche Ansichten hat - nach Eusebius, Praep.Evang.XV 15, 5 - schon Kleanthes vertreten.


Sonne aber
Wenn wir uns am Ende erinnern, daß die theologia platonica des Marsilius Ficinus im Besitz Gerhard Mercators gewesen ist, so erinnern wir uns auch daran, daß Ficinus in ihr u.a. eine Symbiose des neuplatonisch-christlichen Hierarchie-Gedankens (Pseudo-Dionysius-Areopagita) mit dem in den hermetischen Schriften (Ficinus übersetzt Hermes Trismegistos) angezeigten ägyptischen Sonnenkult versucht.
Mercurii Trismegisti Poemander, seu de potestate ac sapientia divina. Marsilio Ficino interprete, Venedig 1483 im Quartformat: von der Natur der Dinge und der Weltschöpfung so, wie Poemander Hermes=Mercurius=Thoth darüber gelehrt hat.

Widmungsschreiben
Succesem temporis admiranda inveni non in geographia sed tantum in universae huius mundanae machinae constitutione, quorum multa hactenus a nemine perspecta sunt.
... sondern auch im Bau jenes gesamten Weltgebäudes, von denen viele bis zu diesem Zeitpunkt noch von niemandem entdeckt worden sind.

Interpreten
Selbst Regiomontan vertrat die Ansichten von Marcus Tullius Cicero bis Martianus Capella.